Ist Biogas eine echte Alternative zu Erdgas? | SWR Wissen
Summary
TLDRDer Transkript präsentiert eine Untersuchung zur Rolle von Biogas in Deutschland und Dänemark. Es wird gezeigt, dass Deutschlands Biogasindustrie vor Herausforderungen steht, während Dänemark erfolgreich Biogas als nachhaltige Energiequelle nutzt. Deutschlands Biogasanlagen, die hauptsächlich Mais als Rohstoff verwenden, kämpfen mit sinkenden Förderungen und steigenden Auflagen. Dänemark hingegen nutzt Biogas aus Reststoffen und hat eine effizientere Infrastruktur, um ein Drittel seines Gasbedarfs mit Biomethan zu decken. Die Diskussion um Biogas in Deutschland ist komplex, und obwohl es Potential gibt, ist die Umsetzung in eine nachhaltige und effiziente Energiequelle noch unklar.
Takeaways
- 🌿 **Biogas in Deutschland**: Deutschland nutzt Biogas im Energiemix nur minimal, mit einigen Betreibern sogar Schließungen von Anlagen.
- 🇩🇰 **Dänische Biogas-Strategie**: Dänemark sieht großes Potenzial in Biogas und nutzt es aktiv, um von Gasimporten unabhängig zu werden.
- 🌾 **Rohstoffe für Biogas**: Mais ist ein Hauptrohstoff für Biogas, aber der Einsatz von Mais in Monokulturen wird wegen Umweltschäden kritisiert.
- 🚫 **Regelungsänderungen**: Ab 2025 werden in Deutschland strengere Auflagen für Biogasanlagen gelten, was die Rentabilität einiger Anlagen in Frage stellt.
- 🔄 **Biogas und Energiespeicher**: Biogas ist speicherbar und kann den Markt ergänzen, wenn Solar- und Windenergie nicht ausreichen.
- 💸 **Kosten von Biogasenergie**: Die Herstellung von Biogasenergie ist teuer, was aufwendige Rohstoffe und Prozesse zur Folge hat.
- 🌱 **Nachwachsende Rohstoffe**: In Deutschland werden zunehmend nachwachsende Rohstoffe für die Biogasproduktion verwendet, um die Nachhaltigkeit zu erhöhen.
- 🏭 **Industrielle Anwendung**: In Dänemark wird Biogas aus Zuckerrübenresten in effizienterem Prozess zu Biomethan umgewandelt, der ins Gasnetz eingespeist werden kann.
- 🔋 **Power-to-X Technologie**: Neue Technologien wie Power-to-X, die Biogas mit grünem Wasserstoff methanisiert, könnten die Biomethanproduktion erhöhen, aber noch sind sie nicht weit verbreitet.
- 🌍 **EU-Ziele**: Die EU plant eine signifikante Steigerung der Biomethanproduktion bis 2030, was jedoch große Investitionen in Infrastruktur und Technologie erfordert.
Q & A
Warum wird Biogas in Deutschland als zu teuer angesehen?
-Biogasenergie ist teuer, weil die Rohstoffe in der Herstellung ziemlich aufwendig sind, insbesondere der Anbau von Mais, der als Hauptrohstoff für Biogas genutzt wird.
Wie wichtig ist die Biogasproduktion in Deutschland im Energiemix?
-In Deutschland spielt Biogas im Energiemix eine untergeordnete Rolle, obwohl es knapp 10.000 Biogasanlagen gibt, die einen erheblichen Anteil an erneuerbarem Strom liefern.
Was ist der Hauptrohstoff für Biogasanlagen in Deutschland?
-Der Hauptrohstoff für Biogasanlagen in Deutschland ist Mais, der in Monokulturen angebaut wird und zu Umweltproblemen führen kann.
Wie sieht die Situation in Dänemark im Vergleich zu Deutschland?
-In Dänemark wird Biogas als bedeutendes Potenzial erkannt und wird intensiv genutzt, wobei dort 96% des Futters in den Anlagen aus Rest- und Abfallstoffen bestehen.
Was ist der Unterschied zwischen Biogas und Biomethan?
-Biogas ist ein Gasgemisch, das aus dem Verfahren der Biogaserzeugung entsteht und zu 40% aus CO2 besteht. Biomethan hingegen ist ein reines Methan, das durch Aufbereitung von Biogas gewonnen wird und im Gasnetz eingespeist werden kann.
Wie wird Biomethan in Deutschland produziert?
-In Deutschland werden etwa 240 Anlagen Biomethan herstellen, wobei nur 17 von ihnen Biomethan aus Abfallstoffen erzeugen. Die meisten Anlagen fehlen entweder dem Anschluss an das Erdgasnetz oder der Veredelungsanlage.
Was ist die Bedeutung von Biomethan für die Unabhängigkeit von Gasimporten?
-Ein erhöhter Anteil von Biomethan im Energiemix würde zu einer erhöhten Unabhängigkeit von Gasimporten beitragen und somit die Energiesicherheit verbessern.
Welche Rolle spielt die Landwirtschaft bei der Biogasproduktion?
-Die Landwirtschaft liefert wichtige Rohstoffe für die Biogasproduktion, wie Mais oder Gülle, und kann durch die Verwendung von Wirtschaftsdünger als Biodünger von der Biogasbranche profitieren.
Was bedeuten die neuen Auflagen für Biogasanlagen ab 2025 in Deutschland?
-Ab 2025 gelten in Deutschland strengere Auflagen für Biogasanlagen, die es schwieriger machen werden, diese ohne staatliche Förderung rentabel zu betreiben.
Wie kann die Biogasproduktion in Deutschland optimiert werden?
-Die Biogasproduktion kann durch die Nutzung von Reststoffen und Abfallstoffen, die Optimierung der Anlagen und die Nutzung von grünem Wasserstoff für die Methanisierung von CO2 optimiert werden.
Was ist der Repower-EU-Plan und wie beeinflusst er die Biomethanproduktion?
-Der Repower-EU-Plan ist ein Vorschlag der EU, der die EU-weite Biomethanproduktion bis 2030 massiv erhöhen will. Dies würde eine signifikante Erhöhung der Biomethanproduktion erfordern, was große Investitionen in Infrastruktur und Aufbereitungsanlagen nach sich ziehen würde.
Outlines
🌱 Biogas in Deutschland und Dänemark
Der erste Absatz stellt die Diskrepanz zwischen der Nutzung von fossilem Erdgas und Biogas in Deutschland und Dänemark heraus. In Deutschland wird Biogas im Energiemix kaum genutzt, während Dänemark sein Potenzial sieht und Biogasanlagen nutzt. Der Sprecher trifft einen Landwirt, der seine Biogasanlage betreibt und 750 Haushalte mit Strom versorgt. Biogas entsteht durch die Verrottung von organischen Materialien wie Gülle, Mais oder Bioabfällen. Die Herausforderungen, die der Landwirt und seine Biogasanlage gegenüberstehen, werden diskutiert, einschließlich der wirtschaftlichen Unsicherheit aufgrund sich ständig ändernder Förderrichtlinien.
🔄 Biogas und seine Zukunft in Deutschland
Der zweite Absatz behandelt die Frage, ob Biogas in Deutschland eine zukünftige Rolle spielen kann, insbesondere im Hinblick auf die Abhängigkeit von Gasimporten. Es wird auf die Geschichte des Biogasbooms in Deutschland eingegangen, der in den 2000er Jahren begann und bis 2021 zu einer signifikanten Energiequelle wurde. Allerdings wird auch die Kritik an der Biogasindustrie thematisiert, insbesondere in Bezug auf die Nutzung von Mais als Rohstoff, der für Monokulturen und Umweltschäden kritisiert wird. Die Diskussion um die Nachhaltigkeit von Biogas und die Notwendigkeit, die Branche effizienter und moderner zu gestalten, wird ebenso erörtert.
🌐 Biogas und seine industrielle Nutzung
Der dritte Absatz konzentriert sich auf die industrielle Nutzung von Biogas, insbesondere die Produktion von Biomethan. Es wird erklärt, dass in Deutschland nur ein kleiner Teil der Biogasanlagen Biomethan produziert, da viele Anlagen weder den Anschluss an das Erdgasnetz noch die erforderliche Aufbereitungsanlage haben. Die Herausforderungen und Möglichkeiten zur Steigerung der Biomethanproduktion werden diskutiert, einschließlich der Notwendigkeit, Reststoffe und Abfallstoffe zu nutzen, um die Abhängigkeit von nachwachsenden Rohstoffen zu verringern.
🇩🇰 Dänemarks Vorgehen mit Biogas und Biomethan
Der vierte Absatz vergleicht die Strategien von Deutschland und Dänemark in Bezug auf Biogas und Biomethan. Dänemark wird als Vorreiter in der Nutzung von Biomethan hervor gehoben, der mehr als ein Drittel des Gasbedarfs deckt. Der Fokus liegt auf der Nutzung von Reststoffen und Abfallstoffen in Biogasanlagen, im Gegensatz zu Deutschland, wo der größte Teil des Biomülls ohne vorherige Energienutzung kompostiert wird. Die dänische Vision, bis 2028 den gesamten Gasbedarf mit Biomethan, Wind- und Solarenergie zu decken, wird ebenso thematisiert.
🔬 Technologische Innovationen für Biogas
Der fünfte und letzte Absatz untersucht technologische Innovationen, die die Produktion von Biogas und Biomethan revolutionieren könnten. Es wird auf die Arbeit von Brian Jønson eingegangen, der eine Power-to-X-Anlage entwickelt hat, die Biogas mit grünem Wasserstoff methanisiert. Diese Anlage soll die Biomethanproduktion erhöhen und gleichzeitig CO2 aus dem Biogas nutzen. Der Absatz diskutiert die Herausforderungen und die Potenzial dieser Technologie für die Zukunft der Biogasnutzung in Deutschland und weltweit.
Mindmap
Keywords
💡Biogas
💡Erneuerbare Energie
💡Methan
💡Biomethan
💡Nachhaltigkeit
💡Monokultur
💡Energiemix
💡Förderung
💡Power-to-X
💡Energiekrise
Highlights
Fossiles Erdgas wird teuer importiert, während Biogasstrom als zu teuer angesehen wird.
Die Reduzierung des Verbrauchs von fossiler Energie wird als erster Schritt in eine nachhaltigere Zukunft betrachtet.
In Deutschland spielt Biogas im Energiemix kaum eine Rolle, im Gegensatz zu Dänemark, wo das Potenzial von Biogas anerkannt wird.
Deutsche Biogasanlagen schließen teilweise aufgrund wachsender Auflagen und wirtschaftlicher Unsicherheiten.
Biogas entsteht durch die Verrottung von organischen Materialien wie Gülle, Mais oder Bioabfällen.
Biogas ist speicherbar und kann somit die Schwankungen von Solar- und Windenergie ausgleichen.
Die Produktion von Biogasenergie ist aufgrund der Rohstoffaufwendungen teuer.
Mais ist ein kritischer Rohstoff für Biogas, da Monokulturen Umweltschäden verursachen.
Deutschland hat strengere Auflagen für Biogasanlagen, was zu Unsicherheiten bei Betreibern führt.
Biogasanlagen in Deutschland stellen einen erheblichen Anteil am erneuerbaren Strom dar.
Die Modernisierung und Effizienzsteigerung von Biogasanlagen ist der aktuelle Trend.
Die Debatte um Maisanbau und Landnutzung für Biogas versus Nahrungsmittelproduktion ist kontrovers.
Ein effizientes Beispiel für Biogasproduktion ist die Nutzung von Zuckerrübenresten in einer Zuckerfabrik.
Biomethan, ein aufbereitetes Produkt aus Biogas, kann ins Erdgasnetz eingespeist werden.
Deutschland hat das Potenzial, die Produktion von Biomethan signifikant zu erhöhen, aber es fehlt an Infrastruktur.
Dänemark nutzt fast ausschließlich Biomethan und deckt damit ein Drittel ihres Gasbedarfs.
Deutschland ist der größte Produzent von Biomethan in Europa, aber der Verbrauch ist viel höher als in Dänemark.
Eine Power-to-X-Anlage, die Biogas mit grünem Wasserstoff methanisiert, könnte die Produktion von Biomethan revolutionieren.
Die Nutzung von Biogas und Biomethan ist für die Erreichung der Klimaziele und die Reduzierung des Gasverbrauchs notwendig.
Transcripts
Es wird fossiles Erdgas für viel Geld hergeholt.
Aber Biogasstrom ist zu teuer.
(englisch:) Wir verbrauchen mit dieser Entwicklung
weniger fossile Energie.
Ich bin überzeugt, dass das der erste Schritt
in eine nachhaltigere Zukunft im Energiesektor ist.
(Neugierige Musik)
In Deutschland spielt Biogas im Energiemix quasi keine Rolle.
Das geht sogar so weit, dass einzelne Betreiber ihre Anlagen schließen.
Hier in Dänemark sieht das anders aus.
Hier ist man überzeugt von dem Potenzial von Biogas.
Wieso eigentlich?
Und könnte Biogas nicht auch uns helfen,
unabhängig zu werden von Gasimporten?
Wie viel produzieren wir in Deutschland überhaupt?
Und ist Biogas immer nachhaltig?
(Dynamische Musik)
Bevor es nach Dänemark geht, schauen wir erst mal nach Deutschland.
Ich treffe einen Landwirt, der mittlerweile mit Biogas
statt mit Schwein sein Geld verdient.
Wir haben lange Jahre Mastschweine gehalten,
was Anfang der 2000er-Jahre schwieriger wurde
wegen zunehmender Auflagen,
aber auch wegen schwieriger wirtschaftlicher Lage.
Dann kam die Variante Biogasanlage auf,
war ja relativ neu zu dem Zeitpunkt.
(Abwartende Musik)
Thomas Meyer zu Hartlage produziert mit seinem Biogas Strom
und versorgt so 750 umliegende Haushalte.
Seine Anlage ist direkt an den landwirtschaftlichen Betrieb
angeschlossen.
Alles, was er hier vergärt, wird in einem Umkreis
von sechs Kilometern angebaut.
Kurz die Basics.
Biogas entsteht, wenn organisches Material,
also zum Beispiel Gülle, Mais oder Bioabfälle,
unter Luftabschluss von Bakterien zersetzt wird.
Dabei entsteht ein Gasgemisch,
die Hauptbestandteile Methan und Kohlenstoffdioxid.
Dieses Gas treibt wiederum ein Blockheizkraftwerk an.
Das Blockheizkraftwerk funktioniert so ähnlich wie ein Auto.
Das Gas wird verbrannt, damit wird ein Motor angetrieben.
Und der erzeugt wiederum Strom.
(Maschinenrauschen)
Das Blockheizkraftwerk von Thomas Meyer zu Hartlage ...
Achtung, jetzt wird's laut. - (off:) Sieht so aus.
(Lautes Rattern)
Der hier erzeugte Biogasstrom ergänzt sich eigentlich gut
mit Solar- und Windenergie.
Biogas ist nämlich speicherbar.
(Sanfte Musik)
Das Gas kann so lange in der Kuppel bleiben,
bis der Markt zusätzliche Energie braucht.
Aber Biogasenergie ist teuer,
eben weil die Rohstoffe in der Herstellung ziemlich aufwendig sind.
Hauptrohstoff, mit dem der Landwirt arbeitet, ist Mais.
Die ganze Pflanze wird gehäckselt
und landet dann als sogenanntes "Futter" in der Biogasanlage.
Von vielen wird Mais mittlerweile kritisch gesehen.
Der Anbau in Monokulturen schadet der Umwelt.
Deswegen dürfen die Rohstoffe in den Anlagen
nur noch zu 40 Prozent aus Mais bestehen.
Für den Landwirt ein Problem.
Man muss bestimmte Bedingungen einhalten.
Zum Beispiel den sogenannten Mais- und Getreidedeckel oder Maisdeckel,
dass zukünftig maximal 30 Prozent des Futters der Biogasanlage
Mais und Getreide sein dürfen.
Das mag in Gegenden, wo es ganz viel Wirtschaftsdünger,
also Mist und Gülle, gibt, gut funktionieren.
Bei uns hier in der Region gibt es so viel Wirtschaftsdünger,
so viel Mist und Gülle, gar nicht.
So, und von daher hätten wir Schwierigkeiten,
das Futter überhaupt zusammenzukriegen,
um die Biogasanlage weiter betreiben zu können.
Fast 20 Jahre hat sich Biogas für den Landwirt gelohnt.
So lange hatte er finanzielle Sicherheit,
weil sein Strom durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz
gefördert wurde.
2025 ändert sich das.
Ab dann gelten strengere Auflagen.
Die kann Thomas Meyer zu Hartlage nicht mehr erfüllen.
Seine Anlage fällt dann aus der Förderung raus.
Ob sich Biogas für ihn danach weiter rechnet?
Er weiß es nicht.
Diese Unsicherheit haben auch andere Betreiber.
In Zeiten der Energiekrise für ihn ein Widerspruch.
In Deutschland gibt es knapp 10.000 Biogasanlagen,
die auch einen erheblichen Anteil an erneuerbarem Strom darstellen.
Und wenn davon, sagen wir mal, die Hälfte aufhören sollte,
wäre das schon ein Einbruch, der zu merken wäre.
Und ... ja, Wind und Sonne können durchaus mehr Strom liefern,
auch zu geringeren Kosten.
Die stehen aber so schnell in der Größenordnung,
die gebraucht wird, gar nicht zur Verfügung.
Also jetzt mutwillig einen Teil des erneuerbaren Stromes
in die Tonne zu treten, das halte ich für unverantwortlich.
Ob er in Zukunft ohne Förderung
mit seiner Anlage rentabel Strom herstellen kann?
Klappt das nicht, dann wird sich Thomas Meyer zu Hartlage
vermutlich vom Biogas verabschieden.
(Spannungsvolle Musik)
Sein Fall ist ein Beispiel von vielen.
Endet so der Biogas-Boom?
Begonnen hat der in den 2000er-Jahren.
Innerhalb von 20 Jahren kam es zu einer Verzehnfachung der Anlagen.
2021 konnten Biogasanlagen
Strom für mehr als neun Millionen Haushalte liefern
und deckten rund 5,4 Prozent des deutschen Stromverbrauchs.
Dazu kommt als Nebenprodukt Heizwärme,
die bei der Stromerzeugung entsteht.
Über 2,5 Millionen Haushalte wurden damit versorgt.
Eigentlich doch eine gute Sache. Warum soll das enden?
Ich frage beim Umweltbundesamt nach.
Zuständig ist dort Jan Seven.
Für ihn muss die Biogasproduktion wegkommen von Rohstoffen wie Mais.
Herr Seven, was hat sich denn in Deutschland in Sachen Biogas
in den letzten Jahren getan?
Wie hat sich auch die Einstellung dazu verändert?
"Es gab einen anderen Fortschrittsglauben an der Stelle."
"Da kommen wir langsam weg."
"Wir sind jetzt auch schlauer, was wir da wollen."
"Wir können nicht mehr von 'nem Ausbau dieser Struktur ausgehen."
"Wir müssen die Struktur qualifizieren,
modernisieren, effizienter machen."
Der Trend ist klar.
Weniger Anlagen, dafür modernere und effizientere.
Und auch beim Substrat soll sich was ändern.
Bezogen auf die Masse landeten 2020 fast 50 Prozent
nachwachsende Rohstoffe in den Biogasanlagen.
Der Anteil an industriellen Reststoffen und Bioabfall
ist verschwindend gering.
Fast die Hälfte des Biogases
wird also aus nachwachsenden Rohstoffen gewonnen.
Und 70 Prozent davon sind Mais.
Die Debatte, die immer wieder geführt wird,
nennt sich: Tank oder Teller?
Es geht dabei letztlich um die Flächennutzung.
Wird für die Produktion von Biogas
wirklich wertvolle Landfläche verschwendet,
die besser für die Produktion von Nahrungsmitteln genutzt würde?
Schauen wir genauer hin.
Nur ein Drittel des angebauten Mais wird für Biogas genutzt.
Der bedeutend größere Teil landet in der Futtermittelproduktion,
das heißt, der geht in die Massentierhaltung.
Der Vorwurf, Biogas verursache eine Vermaisung der Landschaft,
der stimmt so also nicht.
Trotzdem, das kennt ihr, der Anbau von Monokulturen
wie Mais schadet der Umwelt.
Und daran hat eben auch die Biogasgewinnung ihren Anteil.
(Bedrückte Musik)
Es geht aber auch anders.
Die nächste Station auf meiner Reise
ist Anklam in Mecklenburg-Vorpommern.
Eigentlich ist das hier eine Zuckerfabrik.
Biogas entsteht als lukratives Beiprodukt,
und zwar aus dem, was von den Zuckerrüben übrig bleibt.
Ziemlich effizient.
Und: Biogas wird hier aufbereitet, wie es heißt, und zwar zu Biomethan.
Das ist im Gegensatz zu Biogas vielseitig einsetzbar.
Genauso wie fossiles Erdgas kann es ins Gasnetz eingespeist werden
und ist damit ziemlich wertvoll.
Wo das Biomethan aufbereitet wird, zeigt mir Daniel Fink.
(Lockere Musik)
Erst mal folgen wir den Zuckerrüben auf dem Weg durch die Produktion.
Erste Station: eine riesige Waschtrommel.
Der nächste Schritt: Die Zuckerrüben werden gehäckselt.
(on:) Schmeckt gut.
(off:) Die Rübenschnitzel werden zu Rübensaft verarbeitet,
dem eigentlichen Endprodukt.
Der geht in die Nahrungsmittelindustrie.
Was jetzt noch übrig ist, wird als Futtermittel verkauft
oder zu Biogas vergärt.
Und dieser Rest, der sieht so aus.
Hier fehlt jetzt im Grunde der Zucker drin.
Der Zucker ist rausextrahiert.
Und das ist jetzt im Grunde das, was übrig bleibt ...
Also das ist quasi Abfall. - Kann man so sagen.
(off:) Und es gibt noch mehr Reststoffe, die verarbeitet werden.
Wir haben hier im Grunde Fräswalzen, das ist unser Produkt.
Das sieht schwarz aus, weil wir eine Mischung haben
aus den Rübenschnitzeln, den weißen, und Rübenkleinteilen.
Das ist alles, was von der Rübe abbricht.
Da kommen Spitzen mit und so weiter.
Der Prozess hier, das Abgekippe, Hochschieben mit den Radladern,
da bricht ein Stück Rübe ab.
Diese Sachen muss man auch verwerten.
(off:) Das alles landet im Fermenter.
Dort zersetzen verschiedene Mikroorganismen das Substrat.
Das entstandene Gas wird weitergeleitet
zum entscheidenden Schritt.
In dieser Anlage wird das Biogas "veredelt", wie es heißt.
Dabei verdoppelt sich der Methangehalt.
Das entstandene Biomethan kann ins Erdgasnetz eingespeist werden.
Aber könnten wir diese Produktion steigern?
Da geht jetzt nicht mehr.
Vom Substrat her hätten wir deutlich mehr hier am Standort.
Auch wenn wir sehen,
dass die Zuckerfabrik in Zukunft wachsen wird.
Dazu wollen wir die Anlage auch erweitern, die Pläne sind auch da.
Die Sache wird einfacher, wenn durch den Staat Förderungen kommen.
Da ist im Moment nichts zu sehen.
So eine Anlage ohne Förderung zu bauen, ist schon eine Aufgabe.
Aber eine Aufgabe, die sich im industriellen Maßstab
vermutlich lohnen wird.
Diese Strategie ist vergleichsweise nachhaltig,
weil hier Reststoffe genutzt werden, um die Energie zu produzieren.
Aber wie häufig gibt es solche Anlagen in Deutschland?
Von den knapp 10.000 Biogasanlagen produzieren etwa 240 Biomethan.
Und nur 17 davon erzeugen Biomethan aus Abfallstoffen.
Den anderen Anlagen fehlt entweder der Anschluss an das Erdgasnetz
oder die Veredelungsanlage.
Kein Wunder, dass Biomethan keine wirkliche Rolle spielt
im deutschen Energiemix.
Gerade mal ein Prozent unseres jährlichen Gasverbrauchs
ist durch Biomethan gedeckt.
Und hier ist es noch mal wichtig,
zwischen Biogas und Biomethan zu unterscheiden.
Das meiste Biogas wird regional produziert und auch regional genutzt.
Nur zehn Prozent der produzierten Biogasmenge in Deutschland
wird zu Biomethan aufgearbeitet.
Aber eigentlich muss da doch mehr gehen.
Ein Mehr an Biomethan
würde schließlich ein Mehr an Unabhängigkeit bedeuten.
Meine Reise geht weiter.
Ich treffe Peter Kornatz.
Im Biomasseforschungszentrum arbeitet er mit seinem Team daran,
Biogasanlagen zu optimieren.
Das fängt im ganz kleinen Maßstab an.
Neben den Minireaktoren hängen Minigassäcke.
In ihnen sammelt sich das entstandene Biogas.
Etwas nachspülen, damit das Substrat gefiltert wird.
Im Prinzip ist es wie ein Haustier.
Unsere Mikroorganismen sind auch unsere Haustiere,
um die wir uns auch gut kümmern müssen.
Die brauchen ihre Wärme, sie brauchen ihr Futter.
Wenn wir kontinuierliche Versuche haben,
ist die tägliche Fütterung angesagt.
Je nachdem, was verfüttert wird und wie viel verfüttert wird,
entsteht eine andere Gasmenge
und eine andere Zusammensetzung im Gasgemisch.
Wir leiten daraus erst mal ab, wie gut, also, wie viel Methan.
Das ist das eine.
Weil Methan ist ja letztendlich das, was die Energie nachher liefert.
Also wie viel Methan ein bestimmtes Substrat liefert
und was das nachher für die Verwertung bedeutet.
Manches Futter bringt mehr Energie als anderes.
Je höher der sogenannte Methanwert, desto besser.
Um ins Erdgasnetz eingespeist werden zu können,
muss der Methangehalt bei 98 Prozent liegen.
Aber ließe sich die Produktion von Biomethan
in Deutschland denn so steigern?
Aktuell deckt Biomethan ja gerade mal ein Prozent unseres Gasverbrauchs.
Wir gehen jetzt davon aus, dass wir etwa die Menge,
was wir an Erdgas ersetzen können,
etwa auf drei bis maximal vier Prozent
erhöhen können mittelfristig.
Also innerhalb der nächsten fünf bis acht Jahre, ja.
Mehr ist nicht drin in der Zeit, das muss man ganz klar sagen.
Es ist also so: Vielen Biogasanlagen in Deutschland
fehlt es an Infrastruktur, dem Anschluss ans Gasnetz
und der Veredelungsanlage.
Zugleich gibt es in Sachen Substrat Nachholbedarf.
Die Tendenz geht in Richtung Abfall und Reststoffe
aus Landwirtschaft und Privathaushalten.
Dadurch wäre weniger Landfläche gebunden,
die zum Beispiel für die Nahrungsmittelproduktion
zur Verfügung stehen könnte.
Ganz wichtig, wir könnten die Produktion von Biomethan steigern,
auf drei bis vier Prozent unseres Verbrauchs.
Das klingt erst mal nicht viel,
aber es ist ein Baustein im Energiemix,
der klimaneutral ist.
Gleichzeitig hat die EU letztes Jahr den Repower-EU-Plan vorgelegt.
Der sieht unter anderem vor, dass die EU-weite Biomethanproduktion
massiv hochgefahren wird.
Bis 2030 auf 350 Terawattstunden.
Das ist zehnmal so viel wie heute.
Wie soll das innerhalb der nächsten sieben Jahre funktionieren?
Nabil Abdalla hat mit anderen Forschenden
genau das in einer Studie des IFEU-Instituts untersucht.
Wie viel Biomethan wären denn in so kurzer Zeit realistisch?
"Also unter der Voraussetzung,
dass es massive Investitionen in entsprechende Upgrading-Anlagen
und auch in entsprechende Netze gibt,
sind realistisch und nachhaltig zu produzieren
ungefähr die Hälfte dieser 35 Milliarden Kubikmeter."
"Das sind ungefähr 18 Milliarden."
"Ich denke, das ist ein realistisches Ziel."
"Die 35 Milliarden erachten wir als Co-Autoren in dieser Studie
als nicht besonders realistisch ein,
da eben noch deutlich mehr Infrastruktur notwendig wäre."
"Und auf der anderen Seite die Nachhaltigkeitsaspekte des Anbaus
von Mais oder anderen Feldfrüchten
zur Umwandlung in Biogas beziehungsweise Biomethan
eben sehr schwerwiegend sind."
Also nur 18 Milliarden Kubikmeter, das entspricht 180 Terawattstunden.
Und das wären gerade mal vier bis fünf Prozent
vom aktuellen Gasverbrauch in der EU.
Ein Land, was in Sachen Biomethan
immer wieder von den Medien gehypt wird, ist Dänemark.
Haben die Dänen das Potenzial von Biogas und Biomethan erkannt
und ziehen mit ihrer Strategie an uns vorbei?
(Dynamische Musik)
Letzter Stopp auf meiner Reise, Sønderborg in Dänemark.
Ich möchte wissen, was hier anders läuft als bei uns.
Ziemlich was los hier.
Und alles wirkt perfekt aufeinander abgestimmt.
Derselbe Ablauf, 50-mal pro Tag.
Erst lädt der Lkw Substrat ab, dann wird er direkt wieder befüllt,
und zwar mit dem Gärrest.
Den bekommen Landwirte als Biodünger zurück.
Mein Eindruck: Alles ist irgendwie größer.
Nur vier Prozent sind Energiepflanzen.
96 Prozent des Futters in den Anlagen bestehen aus Rest- und Abfallstoffen
aus Industrie, Landwirtschaft und Privathaushalten.
Ein krasser Unterschied zu Deutschland.
Im Gegensatz dazu landet bei uns der wertvolle Biomüll
meist auf Kompostieranlagen, ohne dass die Energie vorher genutzt wird.
Für Martin Jeppesen fehlt in Deutschland politischer Wille.
(englisch:) Ich glaube, große Anlagen sind die Zukunft.
So holt man das meiste aus der Biomasse raus.
Und es braucht Bioenergiespezialisten.
Dann können die Landwirte auch wieder das machen,
worin sie wirklich gut sind.
Die Dänen produzieren, anders als wir,
seit 2018 mehr Biomethan als rohes Biogas.
Damit können sie schon jetzt über ein Drittel ihres Gasbedarfs decken.
Bis 2028 wollen sie das weiter steigern, auf 100 Prozent.
Biomethan, Wind und Solarenergie.
Für Dänemark die ideale Kombination.
Es ist wichtig, dass man das System als Ganzes betrachtet.
Man muss nicht zwischen Wind, Sonne und Biomethan wählen.
Man muss diese drei als Einheit begreifen,
die als Lösung für den gesamten Energiemarkt zusammenspielen.
Bei all dem Hype um Dänemark fehlt ein Blick auf die absoluten Zahlen.
Im Länderranking zeigt sich,
2021 war Deutschland der größte Produzent von Biomethan.
Dänemark steht auf Platz drei. What?
Das heißt, wir produzieren mehr als die Dänen,
haben aber insgesamt einen deutlich höheren Verbrauch.
Wir verbrauchen nämlich 40-mal so viel Gas.
Ich war ja jetzt auch in Dänemark
und die setzen ja eigentlich nur noch auf Biomethan.
Sollte das auch Deutschland machen?
Also sollte Deutschland seine Strategie dahingehend ändern?
"Prinzipiell, glaube ich, kann man Dänemark und Deutschland
relativ schlecht nur vergleichen in dieser Frage,
denn zum einen ist der Bedarf an Erdgas im Vergleich
in Deutschland deutlich, deutlich größer als in Dänemark."
"Zum anderen ist Dänemark deutlich kleiner als Deutschland,
ist deutlich kompakter,
vor Ort gibt es deutlich bessere infrastrukturelle Voraussetzungen,
als das bei uns der Fall ist."
"Wir produzieren Biogas, das dann später umgewandelt werden könnte
in Biomethan immer sehr dezentral,
also an Orten, an denen Landwirtschaft stattfindet."
"Das sind aber nicht zwangsläufig Ballungszentren
oder Industrieregionen,
in denen auch dieses Methan nachgefragt würde."
"Das heißt, man müsste, um mit Dänemark gleichzuziehen,
massiv in Netze und Upgrading-Anlagen investieren."
"Und dieses Potenzial sehe ich in Deutschland ehrlich gesagt nicht."
Was die Infrastruktur angeht,
da werden wir wohl nicht auf das Niveau von Dänemark kommen.
Eine Lösung für die Zukunft könnte zum Beispiel diese Anlage sein.
Nach dem Bau, versteht sich.
Hier soll Biogas mithilfe von grünem Wasserstoff methanisiert werden.
(Klimpernde Musik)
Brian Jønson hat dazu seine Doktorarbeit geschrieben.
Und nun zeigt er mir stolz,
was im industriellen Maßstab daraus geworden ist.
(Neugierige Musik)
(englisch:) Es fühlt sich surreal an, aber auch richtig gut.
Ich bin begeistert zu sehen, wie groß die Anlage ist.
Ich wusste zwar, wie groß sie sein wird,
aber jetzt hier drin zu stehen ist natürlich was ganz anderes.
Ich bin sehr aufgeregt.
Das Gasgemisch in den Biogasanlagen besteht ja zu 40 Prozent aus CO2.
Bisher wird das in die Umwelt entsorgt.
Dabei kann man daraus Methan machen, mit Brians Anlage.
Eine sogenannte Power-to-X-Anlage
soll die Biomethanproduktion massiv erhöhen.
Und das geht so:
Aus überschüssigem Strom wird grüner Wasserstoff produziert.
Parallel dazu wird CO2 aus dem Biogasgemisch abgespalten
und aufgefangen.
Das CO2 wird umgewandelt.
Dabei helfen sogenannte methanogene Mikroorganismen.
Sie produzieren dann aus CO2 und Wasserstoff das Methan.
Und das kann wiederum ins Erdgasnetz eingespeist werden.
Der Prozess ist eine Alternative
zu der bisherigen Aufbereitung von Biogas
und bringt eine deutlich höhere Ausbeute.
Aber geht da nicht bei jedem Produktionsschritt Energie verloren?
Wir haben letztlich einen Wirkungsgrad von 50 Prozent.
Natürlich verlieren wir in den Zwischenschritten viel Energie.
Aber wir möchten der Welt zeigen,
dass man eine biologische Power-to-X-Anlage
im industriellen Maßstab schon jetzt in Betrieb nehmen kann.
Mit neuen Entwicklungen ist es doch immer so,
dass bei den ersten Anlagen der Wirkungsgradverlust am größten ist.
Aber sie zeigen, dass das Prinzip funktioniert.
Das Hochskalieren, Optimieren und Perfektionieren der Technologie
kommt später. Und es wird kommen.
An Zuversicht mangelt es also nicht.
Noch in diesem Sommer soll die Anlage in Betrieb gehen.
Auch in Deutschland
gibt es ähnliche Ansätze der biologischen Methanisierung.
Doch die sind noch nicht im industriellen Maßstab im Einsatz.
Ein Markt dafür ist aber auf alle Fälle da.
Mir ist klar geworden,
bei uns ist zwar in Sachen Biomethan noch Potenzial,
aber ob wir das hinbekommen, das ist fraglich.
Es ist auch nicht klar,
wohin uns die Technologie führen kann.
Wenn wir unsere Klimaziele schaffen wollen,
müssen wir insgesamt unseren Gasverbrauch runterfahren.
Wir müssen elektrifizieren, wo es geht.
Wo das nicht funktioniert und Wasserstoff nicht hilft,
müssen wir Biogas und Biomethan nutzen.
SWR 2023
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