Feuerbach · Religionskritik und Projektionstheorie
Summary
TLDRDer deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach, bekannt als 'erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik', präsentiert in seinem Hauptwerk 'Das Wesen des Christentums' seine Kritik der Theologie, die auf der Projektionstheorie basiert. Er argumentiert, dass Menschen ihre Wünsche und Sehnsüchte auf ein göttliches Wesen projizieren, um ihre eigene Unvollkommenheit zu überwinden. Feuerbachs humanistische Kritik zielt darauf ab, die Illusionen der Religion zu entlarven und Menschen dazu zu ermutigen, die Würde und das Potential ihres eigenen Wesens zu entdecken.
Takeaways
- 😀 Ludwig Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik.
- 👨👧 Ludwig Feuerbach war der Vater der Schriftstellerin Eleonore Feuerbach und Ehemann von Bertha Löw, die sein philosophisches Treiben finanzierte.
- 📚 Seine Hauptwerk 'Das Wesen des Christentums' entfaltet seine Religionskritik, die er 1841 veröffentlichte.
- 💡 Feuerbachs Kritik war motiviert von der Illusion der Theologie, die er als letzten Grund für geistige und politische Unfreiheit ansieht.
- 🔑 Seine Kritik richtet sich nicht gegen die Religion an sich, sondern gegen die Theologie, die Lehre von Gott.
- 🤔 Feuerbach kritisiert, dass die spekulative Philosophie, insbesondere Hegel, die Grenze zwischen Philosophie und Theologie nicht klar gezogen hat.
- 📈 Die Kernthese von Feuerbachs Kritik ist die Projektionstheorie, wonach Gott als Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte dient.
- 🙏 Feuerbach argumentiert, dass die Attribute Gottes, wie Ewigkeit und Vollkommenheit, das Produkt des menschlichen Wunschdenkens sind.
- 🌟 Er betont, dass Religion die Entzweiung des Menschen mit sich selbst darstellt und dass Gott als ein ihm entgegengesetztes Wesen aufgefasst wird.
- 💡 Feuerbachs Ziel ist es, den Gottglauben als irreführend zu entlarven und die Menschen dazu zu ermutigen, die Größe und Würde in sich selbst zu entdecken.
- 👥 Seine Gedankengang ist humanistisch und geht von einer erhabenen, menschlichen Natur aus, was in der heutigen Zeit besonders relevant erscheint.
Q & A
Wer war Ludwig Feuerbach?
-Ludwig Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik.
Was motivierte Feuerbach zur Schaffung seiner Religionskritik?
-Feuerbachs Kritik war als Schlüssel für eine geistige und politische Befreiung gedacht und damit ganz lebenspraktisch motiviert.
Welches ist das Hauptwerk von Ludwig Feuerbach?
-Sein Hauptwerk ist 'Das Wesen des Christentums', das 1841 veröffentlicht wurde.
Was ist der letzte Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit nach Feuerbach?
-Der letzte Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit ist die Illusion der Theologie.
Was versäumte die spekulative Philosophie, insbesondere Hegel, laut Feuerbach?
-Die spekulative Philosophie, insbesondere Hegel, versäumte, die Grenze zwischen Philosophie und Theologie ordentlich zu ziehen.
Was ist die Kernthese von Feuerbachs Religionskritik?
-Die Kernthese ist die sogenannte Projektionstheorie, wonach Gott als eine Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte dient.
Wie bezeichnete Feuerbach Gott in seinem Werk?
-Feuerbach bezeichnete Gott als ein Produkt des menschlichen Wunschdenkens, ein Abbild des Menschen, das er ausser sich setzt und als ein selbständiges Wesen vorstellt.
Was ist das Ziel von Feuerbachs Kritik?
-Das Ziel besteht darin, den Gottglauben als falsch zu entlarven und die Menschen dazu zu ermutigen, die Größe und Würde in ihrem eigenen Wesen zu entdecken.
Wie wird Feuerbachs Ansatz in der Kritik beschrieben?
-Feuerbachs Ansatz wird als humanistisch beschrieben, der von einer erhabenen, menschlichen Natur ausgeht.
Was könnten Gender-Studien-Forscherinnen und -Forscher an Feuerbachs Ansichten kritisieren?
-Sie könnten kritisieren, dass Feuerbachs Ansichten zum Geschlechterunterschied arg überholt sind und nicht streng binär sind, was von gegenwartsphilosophischen Strömungen nicht gesehen wird.
Wie lautet die wesentliche Aussage von Feuerbachs humanistischem Ansatz?
-Die wesentliche Aussage ist 'homo homini deus est', was bedeutet, dass der Mensch für den Menschen ein Gott ist, anstatt 'Der Mensch ist ein Abbild Gottes'.
Outlines
📚 Einführung in Ludwig Feuerbachs Religionskritik
Dieser Absatz stellt Ludwig Feuerbach als bedeutenden Vertreter der klassischen Religionskritik des 19. Jahrhunderts vor und erwähnt seine familiären Beziehungen sowie die finanzielle Unterstützung seiner Philosophie durch seine Frau Bertha Löw. Der Schwerpunkt liegt auf Feuerbachs Hauptwerk 'Das Wesen des Christentums', das er als Schlüssel für geistige und politische Befreiung ansieht. Er kritisiert die Theologie und nicht die Religion an sich, und meint, dass spekulative Philosophie, insbesondere Hegels, die Grenzen zwischen Philosophie und Theologie nicht klar gezogen hat. Feuerbachs Kritik zielt darauf ab, die Mischung von Philosophie und Theologie aufzulösen, um ein besseres Verständnis der Religion zu erlangen.
🔍 Feuerbachs Projektionstheorie und ihre Implikationen
In diesem Absatz wird Feuerbachs Projektionstheorie erläutert, wonach Gott als Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte dient. Der Mensch, als endliches und unvollkommenes Wesen, projiziert seine Wünsche nach Überzeitlichkeit und Größe auf ein göttliches Wesen, was zu der Vorstellung eines ewigen, vollkommenen und allmächtigen Gottes führt. Feuerbach argumentiert, dass Religion die Entzweiung des Menschen mit sich selbst ist und dass Gott eigentlich ein Abbild des Menschen ist, das er ausserhalb von sich setzt. Die Kritik zielt darauf ab, den Gottglauben als irreführend zu entlarven und die Menschen dazu zu ermutigen, die Würde und das Potenzial in sich selbst zu entdecken. Der Absatz schließt mit einer Diskussion über die Aktualität von Feuerbachs Ideen und einer kurzen Kritik seiner damaligen Sicht auf Geschlechterrollen.
Mindmap
Keywords
💡Ludwig Feuerbach
💡Religionskritik
💡Theologie
💡Projektionstheorie
💡Georg Wilhelm Friedrich Hegel
💡Das Wesen des Christentums
💡Humanismus
💡Glaube an sich selbst
💡Homo Deus
💡Gender studies
💡homo homini deus est
Highlights
Ludwig Andreas Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik.
Feuerbachs Kritik richtete sich nicht gegen die Religion an sich, sondern gegen die Theologie – die Lehre von Gott.
Feuerbachs Religionskritik entfaltet sich maßgeblich in seinem Hauptwerk von 1841, 'Das Wesen des Christentums'.
Feuerbach sah die Theologie als den letzten Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit.
Feuerbachs Projektionstheorie besagt, dass Gott eine Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte ist.
Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde, nicht umgekehrt, wie es in der Bibel heißt.
Religion ist laut Feuerbach die Entzweiung des Menschen mit sich selbst.
Feuerbachs Ziel war es, den Gottglauben als falsch zu entlarven und die Größe und Würde im eigenen Wesen zu entdecken.
Feuerbachs Gedankengang basiert auf einem humanistischen Ansatz, der von einer erhabenen menschlichen Natur ausgeht.
Statt 'Der Mensch ist ein Abbild Gottes' sollte es heißen: 'Der Mensch ist dem Menschen ein Gott (homo homini deus est)'.
Feuerbachs Kritik scheint in der Gegenwart relevant, da Menschen mehr denn je an ihrer Selbstüberwindung arbeiten.
Feuerbachs Ansichten zu Geschlechtsunterschieden wirken aus heutiger Sicht veraltet und streng binär.
Feuerbach formulierte: 'Nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, sondern der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.'
Die spekulative Philosophie, vor allem Hegel, hat es versäumt, die Grenze zwischen Philosophie und Theologie zu ziehen.
Religion projiziert menschliche Wünsche auf ein göttliches Wesen, um die eigene Unvollkommenheit zu überwinden.
Transcripts
Heute kurz und bündig, die Beantwortung der Frage: Was hat es mit Ludwig Feuerbachs
Religionskritik auf sich? Ludwig Andreas Feuerbach war ein
deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als »erster bedeutender Vertreter der klassischen
Religionskritik«. Außerdem war er der Vater der Schriftstellerin Eleonore Feuerbach,
die später seinen schriftlichen Nachlass ordnete, sowie der Ehemann von Bertha Löw,
die sein philosophisches Treiben finanzierte – und sein anderes Treiben zumindest duldete, wenn auch
sicher bitter enttäuscht. Mehr dazu in dem Vortrag »Ludwig Feuerbach und die Frauen« von
Joachim Goetz, der ist unten verlinkt. Nun, hier soll’s um seine Religionskritik gehen.
Seine Religionskritik entfaltet Feuerbach maßgeblich in seinem Hauptwerk von 1841, mit dem Titel:
»Das Wesen des Christentums«. Was hat Feuerbach zu dieser Schrift motiviert? Zwei Jahre vor
ihrer Veröffentlichung stellt und beantwortet er sich in einem Brief an einen Freund folgende Frage:
Was ist der letzte Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit? Die Illusion
der Theologie. Ich weiß das aus meinem eigenen früheren Leben, wo dieser Teufel in Engelsgestalt
mich in seinen Krallen gehabt hat. [...] Es ist unglaublich, welche Illusionen die
arme Menschheit beherrschen, noch heute beherrschen, und wie uns die spekulative
Philosophie in ihrer letzten Richtung, statt von diesen Illusionen befreit, nur darin bestärkt hat.
Dieser Briefabschnitt verrät uns dreierlei. Erstens, dass Feuerbachs Kritik als Schlüssel
für eine geistige und politische Befreiung gedacht und damit ganz lebenspraktisch motiviert war.
Zweitens, dass er seine Kritik sich gar nicht gegen die Religion an sich richtete,
sondern gegen die Theologie – das heißt: die Lehre von Gott (auch wenn Feuerbach im
»Wesen des Christentums« immer wieder von der »Religion« spricht). Und drittens,
dass die »spekulative Philosophie« – gemeint ist maßgeblich der einflussreiche Philosoph
Georg Wilhelm Friedrich Hegel – es versäumt hat, die Grenze zwischen
Philosophie und Theologie ordentlich zu ziehen.
Damit ist bereits die argumentative Linie des
»Wesens des Christentums« skizziert; es geht in der Konsequenz darum, Philosophie und
Theologie zu entmischen und dadurch einen neuen Zugang zum Phänomen der Religion zu gewinnen.
Zur fachkundigen Auslegung von Ludwig Feuerbachs »Das Wesen des Christentums«
empfehle ich einmal mehr den entsprechenden Band aus der Reihe Klassiker Auslegen – wohlgemerkt eher an Studierende
gerichtet. Hier und jetzt halten wir uns an Schulbuchwissen, sozusagen. Also,
worin besteht Feuerbachs Religions- oder eben Theologie-Kritik? Im Kern läuft sie
auf die sogenannte Projektionstheorie hinaus.
Eine Projektion ist das, was ein Beamer
oder – wie der Name schon sagt – ein guter alter Projektor macht:
Er wirft das vergrößerte Abbild eines Bildes an eine Wand oder Leinwand. Im übertragenen,
psychologischen Sinne ist mit einer Projektion das gedankliche Heraufbeschwören einer
Illusion oder Vorstellung (also als Abbild) von eigenen Gefühlen, Sehnsüchten, Wünschen
(als das ursprüngliche Bild) gemeint, auf eine wie auch immer geartete Projektionsfläche.
Und Feuersbachs Theorie besagt nun, dass Gott eine solche Projektionsfläche ist, quasi die Wand,
an die wir unsere Vorstellungen werfen. Wie ist das zu verstehen?
Der Mensch erfährt sich selbst als endliches, begrenztes und unvollkommenes Wesen. Seine
Wünsche und Sehnsüchte an etwas Überzeitlichem und Größerem teilzuhaben, überträgt er auf ein
göttliches Wesen. Dadurch versucht der Mensch, seine eigene Unvollkommenheit zu überwinden.
Dass Gott als ewiges, vollkommenes, heiliges, allmächtiges und allwissendes Wesen erscheint,
ist nach Feuerbach also kein Zufall, sondern ein Produkt des menschlichen Wunschdenkens.
Feuerbach selbst formulierte es in einer seiner Vorlesungen mal sehr prägnant wie folgt:
[N]icht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, wie es in der Bibel heisst, sondern der
Mensch schuf, wie ich im »Wesen des Christenthums« zeigte, Gott nach seinem Bilde. [...] Jeder Gott
ist ein Wesen der Einbildung, ein Bild, und zwar ein Bild des Menschen, aber ein Bild,
das der Mensch ausser sich setzt und als ein selbständiges Wesen vorstellt.
Ein Abbild also, dem all das zukommt, woran es mir mangelt. »Die Religion«,
schreibt Feuerbach, »ist die Entzweiung des Menschen mit sich selbst.« Der Mensch setze
sich Gott »als ein ihm entgegengesetztes Wesen gegenüber: Gott ist nicht, was der Mensch ist –
der Mensch nicht, – was Gott ist.« Als Beispiele führt er an: Gott sei unendlich, der Mensch ein
endliches Wesen; Gott sei vollkommen, der Mensch unvollkommen; Gott heilig, der Mensch sündhaft;
Gott allmächtig und allwissend und der Mensch, na ja, ist vielleicht mächtig altklug,
aber eigentlich macht- und ahnungslos. All die Sehnsüchte nach einem besseren,
höheren Wesen (Selbst) – so die Projektionstheorie – die projizieren gottgläubige Menschen auf ein von
ihnen losgelöstes Wesen als Fixpunkt für ihre scheinbar unerreichbaren Wunschvorstellungen.
Aber der Mensch vergegenständlicht in der Religion sein eigenes geheimes Wesen. Es
muß also nachgewiesen werden, daß dieser Gegensatz, dieser Zwiespalt
von Gott und Mensch [...] ein Zwiespalt des Menschen mit seinem eigenen Wesen ist.
Das Ziel von Feuerbachs Kritik besteht darin, den Gottglauben als falsch zu entlarven. Er lenke
bloß ab und führe in die Irre. Mögen wir Menschen stattdessen die Größe und Würde im eigenen Wesen,
den Wert und das Potential unserer selbst entdecken – und damit auch den Glauben
an und die Liebe zu uns und zueinander. In diesem Sinne handelt es sich bei Feuerbachs
Gedankengang um einen humanistischen Ansatz, der von einer erhabenen, menschlichen Natur ausgeht.
Statt »Der Mensch ist ein Abbild Gottes« sollte es heißen: Der Mensch ist
dem Menschen ein Gott (homo homini deus est). Eine solche Religions- oder Theologiekritik
scheint wie gemacht für die Gegenwart, da wir Menschen mehr denn je an unserer
Selbstüberwindung arbeiten und gottgleiche Wesen zu werden scheinen. Homo Deus, wie es Yuval Noah
Harari prägnant genannt hat. An anderer Stelle wirkt Feuerbach nicht ganz so zeitgemäß. Zumindest
dürften Forschende und Studierende auf dem Gebiet der Gender studies Einspruch erheben wollen,
wenn er etwa meint: »Der Geschlechtsunterschied ist kein oberflächlicher [...]; er ist ein
wesentlicher; er durchdringt Mark und Bein. Das Wesen des Mannes ist die Männlichkeit,
das des Weibs die Weiblichkeit.« Das sehe ich, geprägt von gegenwartsphilosophischen Strömungen,
nicht ganz so streng binär, und finde Feuerbach diesbezüglich arg überholt – aber das ist ein anderes Thema.
Das war’s erstmal zur Religionskritik bei Ludwig Feuerbach.
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