Sachsen: So spaltet der Kampf ums Überleben eine Stadt

NZZ erklärt
24 Aug 201913:20

Summary

TLDRDer Stadtrat von Weisswasser in Sachsen ist gespalten, und die Stadt kämpft mit sinkender Bevölkerung und Arbeitslosigkeit. Die AfD fühlt sich diffamiert und ausgegrenzt. Die Stadt hat sich halbiert, und Generationen sind weggezogen. Es gibt Überlegungen, wie man mit leerstehenden Wohnungen umgeht und die Stadt zukünftig zu beleben. Die medizinische Versorgung ist beeinträchtigt, und Fachkräftemangel sowie der Ausstieg aus der Kohle stellen weitere Herausforderen dar. Der Oberbürgermeister Torsten Pötzsch kämpft für eine positive Veränderung, aber politische Spannungen und Gewalt machen die Situation schwierig.

Takeaways

  • 😔 Die Stadt Weisswasser in Sachsen ist gespalten und der Stadtrat ist in sich uneinig.
  • 🏙️ Die Stadt hat eine drastische Bevölkerungsabnahme erfahren, von 38.000 auf 16.000 Einwohner.
  • 🏠 Es gibt eine Überversorgung an Wohnungen, da ganze Gebäude abgebrochen werden.
  • 🌱 Die Natur hat in der Südstadt, wo früher Hochhäuser standen, mittlerweile die Oberhand gewonnen.
  • 👨‍⚕️ Die medizinische Versorgung ist ein Problem, da die durchschnittliche Patientenzahl pro Arzt hoch ist und die Ärzte altern.
  • 💰 Sachsen bietet finanzielle Anreize für Ärzte, die in die Region kommen, aber es reicht nicht aus, um junge Fachkräfte anzulocken.
  • 👨‍🎓 Bruno Seiler, ein junger Mann aus Weisswasser, wird Arzt, aber sein Studium findet in Ungarn statt, da er keinen Studienplatz in Deutschland bekommt.
  • 🏭 Die Region hat ein schlechtes Image und junge Menschen ziehen weg, was die Unternehmen in der Region in Schwierigkeiten bringt.
  • 💼 Die wirtschaftliche Herausforderung ist groß, insbesondere mit dem Ausstieg aus der Kohle und dem Fachkräftemangel.
  • 🏛️ Es gibt Bemühungen, die Stadt zukunftssicher zu machen, indem ein Kulturzentrum in einer ehemaligen Glühbirnenfabrik gebaut wird.
  • 👨‍💼 Der Oberbürgermeister Torsten Pötzsch kämpft für die Stadt, aber er ist politisch isoliert und hat es mit Gewaltdrohungen zu tun.

Q & A

  • Was ist ein zentrales Problem, mit dem Weisswasser derzeit konfrontiert ist?

    -Ein zentrales Problem ist der Bevölkerungsrückgang. Die Einwohnerzahl hat sich seit früheren Zeiten mehr als halbiert, und viele Menschen sind aufgrund mangelnder Arbeitsmöglichkeiten weggezogen.

  • Welche Folgen hatte die Wiedervereinigung für Weisswasser?

    -Die Wiedervereinigung führte zu einem drastischen Rückgang der Arbeitsplätze in Weisswasser, da viele Menschen keine Arbeit fanden und die Region verließen. Dies hat die Stadt wirtschaftlich und sozial stark beeinträchtigt.

  • Warum wurden in Weisswasser so viele Wohnungen abgerissen?

    -Es gibt zu viele leerstehende Wohnungen in Weisswasser, da die Bevölkerungszahl stark gesunken ist. Der Abriss wird als Maßnahme gesehen, um die städtische Infrastruktur anzupassen.

  • Wie steht es um die medizinische Versorgung in Weisswasser?

    -Die medizinische Versorgung ist angespannt, da viele Ärzte über 60 Jahre alt sind und es kaum Nachwuchs gibt. Der Durchschnitts-Hausarzt in der Region betreut weitaus mehr Patienten als in anderen Teilen Sachsens.

  • Welche Rolle spielt Bruno Seiler für die Zukunft der Stadt?

    -Bruno Seiler ist eine Hoffnung für Weisswasser, da er Arzt werden möchte und sehr heimatverbunden ist. Obwohl er keinen Studienplatz in Deutschland erhalten hat, ermöglicht ihm ein Auslandsstipendium in Ungarn, seinen Traum zu verwirklichen.

  • Welche wirtschaftlichen Herausforderungen sieht Steffen Söll für die Region?

    -Steffen Söll, ein mittelständischer Unternehmer, sieht das Fehlen von Fachkräften und Lehrlingen als eine große Herausforderung. Die Region hat ein schlechtes Image, und viele junge Menschen sehen keine Zukunft in Weisswasser.

  • Wie hat der Kohleausstieg die Region beeinflusst?

    -Der Kohleausstieg hat viele Arbeitsplätze in Weisswasser gekostet. Ganze Industriegebiete, die einst von der Kohle lebten, wurden geschlossen oder abgerissen. Dies hinterlässt leere Flächen, die neue Ideen und Investitionen benötigen.

  • Was versucht Oberbürgermeister Torsten Pötzsch zu erreichen?

    -Torsten Pötzsch setzt sich dafür ein, die Stadt durch kulturelle und gemeinschaftliche Projekte zu beleben. Er möchte Menschen für die Mitgestaltung der Kommune begeistern und die Stadt nicht ihrem Schicksal überlassen.

  • Warum ist der Stadtrat von Weisswasser gespalten?

    -Der Stadtrat ist stark politisch gespalten, da die etablierten Parteien wie CDU und Linke Sitze verloren haben, während die AfD an Stärke gewonnen hat. Dies spiegelt die politische Zerrissenheit der Stadt wider.

  • Welche Rolle spielt die AfD in der politischen Landschaft von Weisswasser?

    -Die AfD hat sich als zweitstärkste Partei etabliert und stellt eine politische Alternative dar. Vertreter wie Tino Chrupalla kritisieren, dass zu wenig für die Wirtschaft getan wird und dass der Fokus zu sehr auf Freizeit und Kultur liegt.

Outlines

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🏙️ Stadt ohne Hoffnung?

Der erste Absatz beschreibt die Zersplitterung der Stadtrat und die politische Polarisierung in Weisswasser, Sachsen. Die AfD wird als ausgegrenzt und diffamiert dargestellt. Die Stadt leidet unter sinkender Bevölkerung und mangelnder Perspektiven für junge Menschen. Die Folgen der deutschen Einheit sind immer noch spürbar, mit vielen Menschen, die die Stadt verlassen haben. Es wird über die Überkapazität an Wohnungen und den Rückbau von Gebäuden gesprochen, während in anderen Teilen Deutschlands Wohnraum knapp ist. Der Oberbürgermeister, Torsten Pötzsch, spricht über Arbeitslosigkeit und die Abwanderung von Menschen aus der Region. Die Gesundheitsversorgung ist ein besorgniserregendes Thema, da die durchschnittliche Patientenzahl pro Arzt hoch ist und die Bevölkerung alternd ist. Trotz finanzieller Anreize für Ärzte, in der Region zu arbeiten, wird kaum jemand angezogen. Ein junger Mann namens Bruno Seiler will in Weisswasser studieren und später dort als Arzt arbeiten, aber er muss nach Ungarn gehen, um sein Studium zu beginnen.

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🏭 Wirtschaft im Wandel

Der zweite Absatz konzentriert sich auf die wirtschaftlichen Herausforderungen in der Region. Steffen Söll, ein mittelständischer Unternehmenbesitzer, äußert seine Sorgen über die Fachkräftemangel und die Abneigung der jungen Generation, in der Heimat zu bleiben. Die Region hat ein schlechtes Image und die Menschen ziehen lieber weg. Die Arbeitslosigkeit war einst ein Problem, aber jetzt mangelt es an Fachkräften. Die Kohleindustrie, einst eine wichtige Wirtschaftsquelle, ist in Schwierigkeiten, und der Ausstieg aus der Kohle wird eine große Herausforderung für die Region darstellen. Der Ausstieg aus der Kohle wird auch von Tino Chrupalla, einem AfD-Politiker, thematisiert, der kritisiert, dass der Oberbürgermeister zu wenig Aufmerksamkeit der Wirtschaft widmet und sich zu sehr auf Freizeit und Unterhaltung konzentriert. Es wird auch über die politische Instabilität und Gewalt gegen politische Amtsträger gesprochen.

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🌱 Hoffnung auf Wiederaufbau

Der dritte Absatz zeigt eine positivere Seite der Stadt, mit Menschen, die sich um den Zusammenhalt und die Zukunft von Weisswasser kümmern. Es wird über die Bemühungen gesprochen, ein Kulturzentrum in einer ehemaligen Glühbirnenfabrik zu schaffen. Der Oberbürgermeister Torsten Pötzsch und andere Bewohner sind optimistisch und hoffen auf einen Wiederaufschwung der Stadt. Es wird auch über die Herausforderungen gesprochen, die mit der Abwanderung von Flüchtlingen verbunden sind, die in der Hoffnung, dass sie die Stadt beleben könnten, nach Weisswasser gekommen sind. Die Stimmung in der Stadt ist gemischt, aber viele sind engagiert und wollen für ihre Stadt eintreten.

Mindmap

Keywords

💡AfD

Die AfD (Alternative für Deutschland) ist eine politische Partei in Deutschland, die sich als nationalistisch und konservativ positioniert. Im Skript wird die AfD erwähnt, um auf die politische Spaltung in der Stadtrat zu verweisen und die Erfahrungen der Partei zu beschreiben, wie sie sich von Ausschluss, Verleumdung und Beschimpfung betroffen fühlen. Dies zeigt die politische Polarisierung und die Herausforderungen, die mit politischer Partizipation verbunden sind.

💡Einwohner

Einwohner bezeichnet die Menschen, die in einer Stadt oder Gemeinde leben. Im Kontext des Skripts wird die signifikante Reduktion der Einwohnerzahl von 38.000 auf 16.000 erwähnt, was eine Drastische Entwicklung und eine Herausforderung für die Stadt darstellt. Dies zeigt die Schwierigkeiten, die mit einer schrumpfenden Bevölkerung verbunden sind, wie zum Beispiel eine sinkende Arbeitskräftebasis und ein verändertes soziales Gefüge.

💡Spaltung

Spaltung bezieht sich auf die Aufspaltung oder das Aufbrechen von Einheit in mehrere Teile oder Gruppen. Im Skript wird die Spaltung des Stadtrates und der Bevölkerung thematisiert, was auf die politische und soziale Uneinigkeit in der Stadt hindeutet. Die Spaltung ist ein zentrales Thema, das die Herausforderungen und die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit für eine bessere Zukunft betont.

💡Wohnraum

Wohnraum bezieht sich auf die Räumlichkeiten, in denen Menschen leben. Im Skript wird darauf hingewiesen, dass es in Weisswasser eine Überversorgung an Wohnraum gibt, während es in anderen Teilen Deutschlands Mangel an Wohnraum gibt. Dies spiegelt die ungleiche Verteilung von Ressourcen wider und zeigt die Herausforderungen, die mit einer überflüssigen Infrastruktur verbunden sind.

💡Leerstehende Wohnungen

Leerstehende Wohnungen sind Immobilien, die nicht bewohnt werden. Im Skript wird erwähnt, dass fast jede fünfte Wohnung in Weisswasser leer steht, was auf die sinkende Bevölkerung und damit verbundene soziale Probleme hindeutet. Leerstehende Wohnungen sind ein Symbol für die Herausforderungen, denen eine Stadt mit sinkender Bevölkerungsdichte gegenübersteht.

💡Strukturwandel

Strukturwandel beschreibt Veränderungen in der Wirtschaft oder Gesellschaft, wie zum Beispiel die Schließung von Industriebetrieben. Im Skript wird der Ausstieg aus der Kohleindustrie erwähnt, der eine große Herausforderung für die Region darstellt, da viele Arbeitsplätze verloren gehen und neue Arbeitsmöglichkeiten gesucht werden müssen. Der Strukturwandel spiegelt die Notwendigkeit wider, sich an neue wirtschaftliche Bedingungen anzupassen.

💡Flüchtlinge

Flüchtlinge sind Menschen, die ihr Land verlassen müssen, um Verfolgung, Krieg oder Not zu fliehen. Im Skript wird die Hoffnung und die Enttäuschung der Bevölkerung über die Integration von Flüchtlingen in die Stadt thematisiert. Die Flüchtlinge sind ein Beispiel dafür, wie die Stadt versucht, mit der sinkenden Bevölkerungszahl umzugehen, und zeigen auch die Schwierigkeiten der Integration und des Zusammenhalts.

💡Kongo

Kongo ist ein Land in Afrika, das im Skript erwähnt wird, um den Ort der Privatuniversität zu identifizieren, an der Bruno Seiler Medizin studiert. Dies zeigt die globale Dimension der Bildungswege und die Notwendigkeit, kreativ zu werden, um lokale Herausforderungen wie die fehlenden medizinischen Fachkräfte zu bewältigen.

💡Kohleausstieg

Kohleausstieg bezieht sich auf die Abschaffung der Nutzung von Kohle als Energiequelle. Im Skript wird der Ausstieg aus der Kohleindustrie erwähnt, was für die Region eine große Veränderung und Herausforderung darstellt. Der Kohleausstieg symbolisiert die Notwendigkeit, sich von traditionellen Wirtschaftszweigen weg zu entwickeln und nach alternativen Wirtschaftsformen zu suchen.

💡Bürgermeister

Ein Bürgermeister ist der leitende Angestellte einer Stadt oder Gemeinde. Im Skript wird Torsten Pötzsch, der Oberbürgermeister von Weisswasser, als zentrale Figur vorgestellt, die sich um die Zukunft der Stadt kümmert. Seine Rolle und seine Erfahrungen zeigen die Herausforderungen und die Verantwortung, die mit der Führung einer Stadt verbunden sind, insbesondere in Zeiten politischer Spaltung und wirtschaftlicher Umstrukturierung.

💡Kongo

Kongo ist ein Land in Afrika, das im Skript erwähnt wird, um den Ort der Privatuniversität zu identifizieren, an der Bruno Seiler Medizin studiert. Dies zeigt die globale Dimension der Bildungswege und die Notwendigkeit, kreativ zu werden, um lokale Herausforderungen wie die fehlenden medizinischen Fachkräfte zu bewältigen.

Highlights

Die Stadtrat von Weisswasser ist gespalten und politisch polarisiert.

AfD-Vertreter berichten von Ausgrenzung und Beleidigungen.

Die Stadt ist tief gespalten, mit einer Bevölkerung, die sich für ihre Zukunft sorgt.

Weisswasser hat eine drastische Bevölkerungsreduktion von 38.000 auf 16.000 Einwohner erlebt.

Die Stadt ist in Sachsen im Norden nahe der polnischen Grenze gelegen.

Ganze Generationen haben die Stadt verlassen, was zu einer Nachfrage nach weniger Wohnraum geführt hat.

Wohnungen werden in Weisswasser abgebaut, da es zu viele vorhanden sind.

Oberbürgermeister Torsten Pötzsch spricht über Arbeitslosigkeit und Bevölkerungsrückgang.

Fast jede fünfte Wohnung in Weisswasser steht leer.

Ein Projekt zur Reduzierung von Gebäudevolumina wird von Bürgermeister Pötzsch als Erfolg dargestellt.

Die Südstadt von Weisswasser wurde weitgehend abgerissen, nachdem sie erst kurze Zeit zuvor fertiggestellt worden war.

Ärzte wie Lutz Buschmann beobachten eine alternde Bevölkerung und eine Mangel an medizinischer Versorgung.

Sachsen bietet jungen Ärzten 100.000 Euro, um in der Region zu arbeiten, aber es reicht nicht aus, um sie anzulocken.

Bruno Seiler, ein junger Mann aus Weisswasser, will trotzdem hier als Arzt arbeiten und macht dies an einer ungarischen Privatuniversität.

Die Wirtschaft in der Region hat Schwierigkeiten, Lehrlinge und Fachkräfte zu finden.

Die Region steht vor der Herausforderung, die Kohleindustrie aufzugeben.

Ein Kulturzentrum wird in der ehemaligen Glühbirnenfabrik gebaut, um die Stadt zukunftsorientiert zu gestalten.

Oberbürgermeister Pötzsch kämpft gegen die Geldnot und das Schicksal der Stadt.

Die Stadtverwaltung ist politisch stark polarisiert, was die Zusammenarbeit erschwert.

Tino Chrupalla, AfD-Abgeordneter, kritisiert Bürgermeister Pötzsch für zu wenig Engagement für die Wirtschaft.

Es gibt eine wachsende politische Gewalt in Deutschland, auch gegen Amtsträger.

Lutz Buschmann, Arzt, ist besorgt über die Stimmung in der Stadt und das, was mit Bürgermeister Pötzsch passiert ist.

Die Flüchtlinge, die nach Weisswasser gekommen sind, sind auch weitergezogen.

Die Menschen in Weisswasser sind engagiert und hoffen auf einen Aufschwung der Stadt.

Transcripts

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Also es ist sehr geteilt, auch gespalten.

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Also so wie die Menschen gespalten sind, so ist auch der Stadtrat gespalten.

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Wir werden als AfD überall ausgegrenzt, diffamiert, beschimpft.

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Die Stadt ist zerstritten.

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Also hier ist alles schlecht, woanders ist es besser.

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Das kommt von den Älteren, wird auf die jungen Leute übertragen.

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Sie ist zerstritten, weil sie um ihre Zukunft bangt.

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Wir waren mal 38 000 Einwohner.

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Wenn wir jetzt noch mit 16 000 rechnen, dann hat sich’s mehr als halbiert.

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Schon eine drastische Entwicklung.

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Wir sind in Weisswasser im Norden von Sachsen.

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Kurz vor der polnischen Grenze.

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Ganze Generationen sind hier einfach weggezogen.

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Was aber passiert mit einer Stadt, wenn dort kaum einer noch leben mag?

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Wir treffen hier Menschen, um das herauszufinden.

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Auf dieser Baustelle werden Wohnungen nicht gebaut.

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Sie werden abgerissen.

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Es gibt einfach zu viele hier in Weisswasser.

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Oder zu wenig Menschen. Je nachdem.

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Und woanders wird gebaut in Deutschland, da ist der Wohnraum knapp.

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Und hier ist der Wohnraum da.

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Wie finden Sie das, dass hier... ?

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Zurückgebaut wird?

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Ich meine, Weisswasser wird nicht wieder so gross, wie es mal war.

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Was soll’s. Soll das leer stehen? Das kostet bloss alles.

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Manchmal fühlt es sich hier so an,

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als ob die Stadt mit den Nachwirkungen einer weit zurückliegenden Naturkatastrophe zu kämpfen hätte.

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Nur hat es die nie gegeben.

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Es sind noch immer die Folgen der Wende,

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die der Stadt das Leben rauben.

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Torsten Pötzsch ist der Oberbürgermeister von Weisswasser.

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Das Problem war eben auch, dass die Menschen keine Arbeit hatten.

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Und dadurch der Arbeit hinterhergegangen sind und -gezogen sind.

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Und neue Perspektiven gesucht haben.

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Und auch die Menschen, die danach gekommen sind,

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denen hat man zu wenig gezeigt, was für Möglichkeiten es in der Region gibt.

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Noch immer steht fast jede fünfte Wohnung in der Stadt leer.

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Dabei wurde schon so viel abgerissen.

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Auf das Projekt hier ist der Bürgermeister stolz.

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Bei der Platte werden nur zwei Stockwerke abgetragen.

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Der Rest darf erstmal stehen bleiben.

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Noch vor ein paar Jahren ist man viel radikaler vorgegangen.

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Jetzt sind wir schon in der Südstadt mittendrin.

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Also in der ehemaligen.

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Jetzt braucht man sehr viel Phantasie.

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Hier standen Hochhäuser, hier dahinter Elfgeschosser.

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Hier war alles bebaut: Schulen, Kindergärten.

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Heute steht von der Südstadt nur noch das Einkaufszentrum.

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Der Rest wurde Anfang der 2000er abgerissen,

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dabei war das Stadtviertel erst zur Wende fertiggestellt worden.

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Jetzt hat die Natur wieder übernommen.

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Wir besuchen Lutz Buschmann in seiner Praxis.

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Wie es um eine Stadt steht, bekommen Ärzte besonders gut mit.

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Es geht los!

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Er ist Gefässspezialist.

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Und weiss wohl besser als jeder andere, wie es um die medizinische Versorgung der Stadt steht.

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Wenn in dem Land Sachsen der Hausarzt im Durchschnitt etwa 1000 Patienten im Quartal macht,

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liegt der Durchschnitt hier in dieser Region deutlich höher.

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Also der liegt bei 1600, 1800.

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1990 war das Durchschnittsalter in Weisswasser 38.

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Heute ist es über 50.

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Und nicht nur die Patienten werden älter.

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Auch die Ärzte selbst.

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Und so gibt es immer weniger von ihnen.

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Von den zwölf Hausärzten in Weisswasser sind die meisten über 60.

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Auch ich werde nächstes Jahr 60 Jahre alt und mache mir schon Sorgen, um mich selbst.

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Wer wird mein Hausarzt, wenn ich hier in den Ruhestand trete?

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Und auch diverse Erkrankungen bekomme?

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Das Land Sachsen bietet Ärzten inzwischen 100 000 Euro, wenn sie sich in der Region niederlassen.

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Aber selbst dieses Angebot hat bisher kaum einen angelockt.

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Junge Leute kommen kaum hierher in die Region, und dann wird das eher schwieriger.

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Bereitet Ihnen das Sorgen?

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Ja, natürlich!

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Lutz Buschmann meint,

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die immer schlechtere Versorgung hier könnte für die Menschen zu einem ernstzunehmenden Risiko werden.

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Eine grosse Ausnahme und deshalb eine grosse Hoffnung für Weisswasser ist Bruno Seiler.

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Er will unbedingt Arzt werden, und zwar hier in Weisswasser.

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Ja, ich bin hier auch zum Gymi gegangen, also auf die Schule.

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Ich bin sehr heimatverbunden.

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Ich mag die Region hier, und ich bin, wenn man das so sagen darf, ein ziemliches Dorfkind.

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Das Problem nur:

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In Deutschland hat er keine Chance auf einen Studienplatz für Medizin.

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Mein Schnitt wird nicht ganz passen, weil für Medizin braucht man ja 1,0.

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Doch die Not ist so gross, dass man erfinderisch geworden ist.

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Bruno Seiler kann jetzt doch Medizin studieren.

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Nicht in Deutschland, aber an einer Privatuni in Ungarn.

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Und Sachsen übernimmt die Kosten.

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Ein Auslandsstipendium für künftige Landärzte.

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Einen Studienplatz in Deutschland darf die Landesregierung ihm nicht anbieten.

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So will es das Uni-System.

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Wir fahren weiter.

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Wir wollen wissen, wie es um die Wirtschaft steht in der Region.

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Hier sehen wir ein bisschen was!

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Steffen Söll gehört die Firma SKL.

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Ein mittelständischer Anlagenbauer etwas ausserhalb von Weisswasser.

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Auch er macht sich Sorgen um den Nachwuchs, würde gerne mehr Lehrlinge ausbilden.

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Nur findet er keine.

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Die Schüler glauben nicht an die Heimat.

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Schon dort merken wir, dass die Region von innen heraus ein ziemlich schlechtes Image hat.

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Also hier ist alles schlecht, woanders ist es besser.

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Wir wollen raus.

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Dazu kommt: Inzwischen sind so viele Menschen weggezogen oder in Rente gegangen,

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dass Firmen auch keine Fachkräfte mehr finden.

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Dabei ächzte die Region noch vor ein paar Jahren unter hoher Arbeitslosigkeit.

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Wenn wir auf die Firma SKM heute und jetzt schauen,

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dann haben wir tatsächlich ein Fachkräfteproblem.

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Das Geld wird immer wieder vorangestellt. Man will gerne mehr verdienen.

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Also Leute sehen eben gerne die Vorteile auf der anderen Seite.

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Das ist vielleicht auch was bisschen typisch Deutsches.

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Die nächste Herausforderung steht an.

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Eine richtig grosse für die Region.

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Der Ausstieg aus der Kohle.

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Auch seine Firma hat jahrzehntelang als Zulieferer davon gelebt.

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Jetzt soll Schluss damit sein.

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Die Kohle-Arbeitsplätze in der Nachbarschaft sind schon weggefallen.

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Die Hallen abgerissen.

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Stattdessen nur noch Sträucher und Wiesen.

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Ist da ein bisschen Wehmut dabei? Höre ich das richtig?

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Natürlich, wenn Sie hier in einem angestammten Industriegebiet sind,

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wo mal der Bär gesteppt hat,

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und wenn Sie jetzt hierherschauen, und das ist alles nur noch Wildnis.

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Natürlich tut das weh.

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Die ganze Region.

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Also viele, viele Leute haben hier gearbeitet und Geld verdient, Familien ernährt.

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Das ist alles weg.

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Jetzt gibt es hier viel leeren Raum, der dringend neue Ideen sucht.

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Zu DDR-Zeiten hat man hier komplett von der Kohle gelebt.

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Seitdem sind Jahr für Jahr mehr Arbeitsplätze weggefallen.

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Und jetzt: das endgültige Aus für die Kohle 2038.

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Hier wird an der Zukunft der Stadt getüftelt.

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Ein Verein baut in der ehemaligen Glühbirnen-Fabrik ein Kulturzentrum auf.

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Torsten Pötzsch ist schon lange dabei,

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viel länger, als er Oberbürgermeister ist.

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Um Leute zu begeistern für eine Kommune, muss irgendwas sein,

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wo sich es lohnt, eben vielleicht auch mitzugestalten.

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Das ist natürlich der höchste Punkt.

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Und deswegen bedarf es eben dieser Orte.

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Es bedarf eben auch Bildung, es bedarf einer Bibliothek zum Beispiel, ein ganz wichtiges Thema.

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Es bedarf natürlich auch der Vergangenheit, ein kleines Museum, was wir haben.

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Und das steht derzeit alles auf der Kippe.

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Er will die Stadt nicht einfach ihrer Geldnot, ihrem Schicksal überlassen.

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Torsten Pötzsch glaubt an Weisswasser und an seine Zukunft.

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Für einen richtigen Aufschwung müssten sich aber viel mehr Menschen für die Stadt starkmachen.

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Und zwar gemeinsam.

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Nur passiert das nicht.

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Das Leben im Rathaus ist für den Oberbürgermeister alles andere als einfach.

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Er gehört keiner Partei an, sondern einer lokalen Wählervereinigung.

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Also es ist sehr geteilt, auch gespalten.

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Also so wie die Menschen gespalten sind, so ist auch der Stadtrat gespalten.

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Das hat Folgen: Die Menschen waren zuletzt sehr unzufrieden mit dem Stadtrat.

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So hat die konservative CDU bei Wahlen im Frühjahr die Hälfte ihrer Sitze verloren. Die Linke auch.

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Dagegen ist die AfD jetzt die zweitstärkste Partei.

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Die unabhängige Wählervereinigung von Torsten Pötzsch bekam die meisten Stimmen.

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Und den Parteien ist es natürlich ein Dorn im Auge,

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dass eben der Bürgermeister nicht von einer der etablierten Parteien ist.

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Und da versucht man dagegenzuarbeiten.

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Im Stadtrat ist der Ton politisch scharf geworden.

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In den sozialen Medien wird er ganz persönlich angegangen.

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Und kürzlich dann wohl ein Anschlag auf ihn.

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Irgendjemand hat die Radkappen an seinem Auto gelockert.

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Er erzählt erstaunlich nüchtern.

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Das ist eine Situation, die jetzt doch schon einen ein bisschen nachdenklich macht.

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Man geht jetzt einmal mehr um sein Auto rum, sozusagen, bevor man losfährt.

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Und vor allem, wenn man mit der Familie losfährt.

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Wer hinter der Tat steckt, ist weiter unklar.

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Doch zuletzt sind Amtsträger in Deutschland immer häufiger Opfer von politischer Gewalt geworden.

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Wir wollen mit Tino Chrupalla von der AfD sprechen.

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Er vertritt Weisswasser im Bundestag,

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ist hier aufgewachsen und lebt bis heute in der Nähe.

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Hallo, ich grüsse Sie!

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Bei der letzten Wahl hat er der CDU den Wahlkreis wegnehmen können.

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Auch das ein Zeichen für die Stimmung in der Region.

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Um Kultur und so was sich zu kümmern, ist sicherlich auch notwendig.

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Aber es ist nicht das Erste, was wir brauchen.

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Wir brauchen wertschöpfende Arbeitsplätze, die Geld verdienen.

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Haben Sie denn den Eindruck, dass das der Schwerpunkt des Bürgermeisters ist?

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Dass er sich zu wenig um die Wirtschaft kümmert?

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Ich denke, er kümmert sich zu wenig um die Wirtschaft, in der Tat.

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und er investiert die letzten Jahre,

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beziehungsweise auch sein Wirken hat sich hauptsächlich auf die Freizeit und auf die Spassgesellschaft konzentriert.

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Den Abgeordneten treibt der Zustand der Wirtschaft um.

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Er hat in der Nähe von Weisswasser einen Malerbetrieb.

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Wir wollen wissen, was Tino Chrupalla zu der Stimmung in der Stadt sagt.

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Und zu dem Vorfall mit den Radkappen.

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Solche Dinge sind einfach unsäglich.

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Man merkt aber insgesamt die Verrohung, wenn es in irgendeiner Weise politisch motiviert sein sollte,

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in unserer Gesellschaft, was über alle Parteigrenzen hinweggeht.

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Würden Sie sagen, dass die AfD einen Anteil hat an dieser Verrohung der gesellschaftlichen Debatte?

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Ich sag mal so, die Verrohung der Gesellschaft beziehungsweise auch des politischen Diskurses,

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die fand ja schon vor 2013 oder 2014 statt.

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Also das ist ja nicht mit der AfD gekommen.

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Diese Spaltung in der Gesellschaft:

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Inländer gegen Ausländer, Jung gegen Alt, in der Klimadebatte, das ist das, was mir Sorge macht.

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Deswegen sage ich immer wieder,

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wir sollten endlich mal wieder anfangen miteinander zu reden als übereinander.

play10:59

Seit Tino Chrupalla Abgeordneter ist, hat er sich nicht mit dem Oberbürgermeister getroffen.

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Dabei war er mehrfach ins Rathaus eingeladen.

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Auch nach dem jüngsten Vorfall mit den Radkappen ist er nicht vorbeigekommen.

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Wir wollen nochmal mit Lutz Buschmann sprechen, dem Arzt aus Weisswasser.

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Was denkt er über die Stimmung in der Stadt?

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Und darüber, was mit dem Oberbürgermeister passiert ist?

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Wir treffen ihn zum Kaffee.

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Seine Frau ist Lehrerin am Gymnasium und mitgekommen.

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Gruslig, oder?

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Also ich find das schlimm, dass man auf so eine Art und Weise seine Meinung ausdrückt.

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Und das kann also schon ein Mordanschlag auch gewesen sein.

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Derjenige, der das locker schraubt,

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weiss ja nicht den Tagesablauf des Herrn Oberbürgermeisters am nächsten Tag.

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Der kann die Familie einladen und fährt mit 180 Sachen über die Autobahn nach Berlin.

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Und verunfallt, und alle sind tot.

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Also ich kann das überhaupt nicht dulden.

play11:50

Zwei Menschen, die sich Sorgen machen.

play11:52

Um den Zusammenhalt in ihrer Stadt und deren Zukunft.

play11:56

Lutz Buschmann erzählt von 2016, als Flüchtlinge auch nach Weisswasser kamen.

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Wir haben eigentlich auch gedacht:

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Wenn wir die gut integrieren, wird vielleicht auch jemand hierbleiben, weil wir brauchen Leute hier.

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Und wir sind überhaupt nicht ablehnend gewesen.

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Und mittlerweile in den Jahren bis heute sind die Flüchtlinge auch geflüchtet wieder von hier. Leider.

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Es ist kaum noch jemand da.

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Und wir haben eigentlich die Unterkünfte, dort, wo Flüchtlinge waren, mittlerweile sind die alle leergezogen.

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Wir sind schon ein bisschen traurig.

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Auch die Flüchtlinge sind weitergezogen.

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Wohl an Orte, die ihnen mehr Chancen bieten.

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Bei allen unseren Begegnungen fällt uns eins auf.

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Der Redebedarf hier in Weisswasser ist gross.

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Die Menschen wollen zeigen, dass sie sich engagieren für ihre Stadt.

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Viele zumindest.

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Torsten Pötzsch erzählt uns stolz, es würden wieder mehr Kinder geboren.

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Auch er ist gerade zum zweiten Mal Vater geworden.

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Die Menschen hier hoffen auf einen Aufschwung.

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Sie wollen, dass es wieder bergauf geht.

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Aber sie warten schon sehr lange.

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