Dr. Mai-Anh Boger, Das Trilemma der Inklusion – 1. Teil: LOGIK

Ringvorlesung Migration Macht Gesellschaft
20 May 202009:32

Summary

TLDRDie Theorie der telematischen Inklusion betrachtet Diskriminierung als ein Phänomen, das sich in widersprüchlichen und unlösbaren Anforderungen entfaltet. Diskriminierte Gruppen erleben oft gleichzeitig entgegengesetzte Befehle, die formal logisch nicht erfüllbar sind. Ein zentraler Aspekt der Theorie ist, dass diese Widersprüche auch in der Antidiskriminierungsarbeit sichtbar werden und diese selbst widersprüchlich ist. Am Beispiel von Integrationsdiskursen zeigt sich, wie das Zeichen der Integration je nach historischem Kontext sowohl als Symbol der Befreiung als auch der Unterdrückung wahrgenommen wird.

Takeaways

  • 😀 Die Theorie der telematischen Inklusion ist eine 'Karten-Theorie', die unterschiedliche Aussagen in der Diskurslandschaft der Antidiskriminierung und Inklusion sortiert, ohne sie zu bewerten.
  • 😀 Die Theorie verfolgt einen analytischen Ansatz und untersucht, welche Aussagen in Bezug auf Diskriminierung logisch sinnvoll sind und welche nicht.
  • 😀 Diskriminierung entfaltet sich in Widersprüchen: Diskriminierende Aussagen widersprechen sich oft, was zeigt, dass Diskriminierung auf paradoxen, unerfüllbaren Anforderungen basiert.
  • 😀 Ein Beispiel für diesen Widerspruch ist die Aussage, dass 'Ausländer uns die Arbeitsplätze wegnehmen' und 'Ausländer liegen faul auf der Tasche'. Beide Aussagen widersprechen sich formal, was den Widerspruch der Diskriminierung verdeutlicht.
  • 😀 Diskriminierte Gruppen werden häufig mit paradoxen Aufforderungen konfrontiert, z.B. sollen sie sich integrieren, aber gleichzeitig heißt es 'geh zurück, wo du herkommst'. Diese widersprüchlichen Anforderungen sind unerfüllbar.
  • 😀 In diskriminierenden Regimen werden den betroffenen Gruppen oft gleichzeitige, widersprüchliche Befehle erteilt, die sie in eine unmögliche Situation bringen.
  • 😀 Die Integration wird historisch unterschiedlich bewertet: In manchen Zeiten war sie ein emanzipatorisches Ziel, in anderen ein Zeichen der Anpassung oder Assimilation.
  • 😀 In aktuellen migrationsbezogenen Diskursen wird der Begriff 'Integration' zunehmend kritisiert, da er mit Assimilation und Zwang konnotiert wird.
  • 😀 In den Bewegungen der Behindertenrechte wurde der Begriff der Integration lange Zeit als Forderung nach Teilhabe und Befreiung verwendet, doch heute gibt es auch kritische Stimmen zu diesem Begriff.
  • 😀 Ein weiteres Beispiel für widersprüchliche Diskriminierung zeigt sich in den Erfahrungen von Menschen mit sichtbaren Behinderungen, die sowohl mit neugierigen Blicken als auch mit Vermeidung konfrontiert werden.
  • 😀 Die erste Denkaufgabe fordert dazu auf, ein weiteres Beispiel aus einer diskriminierten Gruppe zu finden, in dem widersprüchliche Aussagen oder Anforderungen gleichzeitig bestehen.

Q & A

  • Was ist die Theorie der telematischen Inklusion?

    -Die Theorie der telematischen Inklusion ist eine Karten-Theorie, die sich mit der Anordnung und dem Verhältnis von Aussagen und Diskursen zu Themen wie Diskriminierung, Inklusion und Diversity beschäftigt. Sie sortiert diese Diskurse auf einer Karte, ohne sie zu bewerten, und betrachtet, wie sich verschiedene Aussagen zueinander verhalten.

  • Warum wird die Theorie der telematischen Inklusion als Karten-Theorie bezeichnet?

    -Die Theorie wird als Karten-Theorie bezeichnet, weil sie keine festen Positionen einnimmt oder ein bestimmtes Paradigma verteidigt, sondern verschiedene Aussagen in einer Diskurslandschaft verortet. Sie bietet eine Analyse der Beziehungen zwischen verschiedenen Diskursen, ohne diese zu bewerten.

  • Welche Bedeutung hat der Begriff 'formale Logik' in der Theorie der telematischen Inklusion?

    -'Formale Logik' bedeutet, dass in der Theorie der telematischen Inklusion zunächst geprüft wird, welche Aussagen logisch und konsistent sind, bevor sie politisch oder moralisch bewertet werden. Das Augenmerk liegt auf den inneren Widersprüchen, die Diskriminierung und Antidiskriminierung aufweisen können.

  • Was ist die Kernthese der Theorie der telematischen Inklusion?

    -Die Kernthese der Theorie besagt, dass Diskriminierung sich in widersprüchlichen Aussagen entfaltet. Diese Widersprüche zeigen sich in der Tatsache, dass diskriminierte Gruppen oft mit paradoxen und unerfüllbaren Befehlen konfrontiert sind, die sich logisch widersprechen.

  • Kannst du ein Beispiel für einen logischen Widerspruch in diskriminierenden Aussagen geben?

    -Ein Beispiel für einen logischen Widerspruch ist die gleichzeitige Aussage, dass 'Ausländer uns die Arbeitsplätze wegnehmen' und 'Ausländer faul auf der Tasche liegen'. Diese Aussagen widersprechen sich logisch, da eine Person nicht gleichzeitig sowohl arbeitsfähig als auch arbeitsunwillig sein kann.

  • Wie erklärt die Theorie der telematischen Inklusion den Umgang mit Widersprüchen in Diskriminierungsregimen?

    -Die Theorie erklärt, dass Diskriminierungsregime häufig widersprüchliche Anforderungen an diskriminierte Gruppen stellen, die nicht gleichzeitig erfüllt werden können. Diese Paradoxien führen zu einer komplexen Erfahrung der Diskriminierung, die aus gegensätzlichen Erwartungen und Forderungen besteht.

  • Was versteht man unter dem Konzept des 'Schrödingers Immigranten'?

    -Der 'Schrödingers Immigrant' ist eine Metapher, die beschreibt, wie diskriminierende Aussagen über Immigranten sich gegenseitig ausschließen, aber dennoch gleichzeitig bestehen. Ein Immigrant wird sowohl als Bedrohung für Arbeitsplätze gesehen als auch als faul und unproduktiver 'Sozialschmarotzer', was zu einem logischen Widerspruch führt.

  • Warum ist das Beispiel des Menschen mit einer Brandnarbe relevant für die Theorie der telematischen Inklusion?

    -Das Beispiel des Menschen mit einer Brandnarbe zeigt, wie diskriminierende Erfahrungen durch widersprüchliche soziale Reaktionen entstehen. Einerseits wird die Person angestarrt, was auf eine Form der Exklusion hinweist, andererseits wird sie nicht direkt angeschaut, was eine Form der Vermeidung oder Ignoranz darstellt. Diese gegensätzlichen Reaktionen spiegeln die widersprüchliche Natur von Diskriminierung wider.

  • Wie verändert sich die Bedeutung von 'Integration' im historischen Kontext?

    -Die Bedeutung von 'Integration' hat sich historisch verändert. In der Vergangenheit wurde Integration oft als Assimilation oder Anpassung verstanden, was für viele marginalisierte Gruppen mit Zwang und Unterdrückung verbunden war. Heute kann Integration jedoch auch als Emanzipation verstanden werden, insbesondere für Gruppen, die zuvor ausgeschlossen wurden, wie z.B. Menschen mit Behinderungen oder Migranten.

  • Was wird in der Denkaufgabe des Videos von den Zuhörern erwartet?

    -In der Denkaufgabe werden die Zuhörer gebeten, ein weiteres Beispiel für die beschriebenen Widersprüche im Diskriminierungsdiskurs zu finden. Sie sollen eine diskriminierte Gruppe auswählen und aufzeigen, wie widersprüchliche Aussagen oder Forderungen gegen diese Gruppe gerichtet sind, um die paradoxen Dimensionen der Diskriminierung zu reflektieren.

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