Resilient gegen stressbedingte Erkrankungen - Was die Seele stark macht | SWR Doku

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10 Jun 202444:49

Summary

TLDRDieses Video skizziert die heutige Krise, in der weltweit eine Milliarde Menschen mit stressbedingten Erkrankungen zu kämpfen haben. Es stellt die Resilienzforschung vor, die nach Strategien sucht, um Menschen psychisch widerstandsfähiger zu machen. Es erzählt von Familien, die durch Tragödien getroffen wurden und zeigt, wie Forschung und Psychotherapie dazu beitragen können, Resilienz zu stärken und das Überleben in schwierigen Zeiten zu erleichtern.

Takeaways

  • 🌍 Wir leben in einer Zeit, in der weltweit eine Milliarde Menschen mit stressbedingten Erkrankungen zu kämpfen haben, was zeigt, dass psychische Belastbarkeit ein globales Problem darstellt.
  • 💪 Resilienz bedeutet, gesund zu bleiben, trotz schwerer Belastungen im Leben, und ist ein Ziel der aktuellen Forschung, um Strategien zur Unterstützung des mentalen Wohlbefindens zu identifizieren.
  • 🔍 Forschung im Bereich der Resilienz zielt darauf ab, die Mechanismen zu verstehen, die einigen Menschen helfen, psychisch gesund zu bleiben, während andere unter ähnlichen Belastungen zusammenbrechen.
  • 👨‍🔬 Neurowissenschaftler und Hirnforscher wie Professor Raffael Kalisch untersuchen die Mechanismen psychischer Widerstandskraft, um zu verstehen, was Menschen vor psychischen Erkrankungen schützt.
  • 🧬 Die Rolle der Genetik in der Stressreaktion und -regulierung wird untersucht, um zu verstehen, wie bestimmte Genvarianten das Stressempfinden und die Resilienz beeinflussen können.
  • 🧪 Experimentelle Ansätze, wie das Erstellen von Gehirnorganoiden aus Stammzellen, ermöglichen es, die Auswirkungen von Stress auf das sich entwickelnde Gehirn zu untersuchen.
  • 👶 Die frühe Kindheit und die Interaktion zwischen Mutter und Kind werden als entscheidend für die Entwicklung von Resilienz betrachtet, insbesondere die Auswirkungen von mutterlichem Stress auf das Kind.
  • 🤝 Die Bedeutung der sozialen Unterstützung und des sozialen Netzwerks für die Entwicklung und Erhaltung von Resilienz wird hervorgehoben, da sie als Auffangnetz in schwierigen Zeiten dienen kann.
  • 🎵 Individuelle Faktoren wie die Liebe zur Musik können als persönliche Form der Selbsthilfe und -heilung dienen und zum Aufbau von Resilienz beitragen.
  • 🏆 Die Anerkennung von Initiativen, die auf der Stärke der Resilienz basieren, wie die Stiftung 'Faustlos', zeigt, dass die Gesellschaft die Bedeutung von Resilienz anerkennt und fördert.
  • 🔄 Resilienz ist ein kontinuierlicher Prozess und nicht ein endgültiger Zustand; es erfordert eine ständige Anpassung und Entwicklung, um mit den Herausforderungen des Lebens umgehen zu können.

Q & A

  • Was ist der Schwerpunkt der Resilienzforschung in dem Skript?

    -Der Schwerpunkt der Resilienzforschung liegt auf der Identifizierung von Strategien und Mechanismen, die Menschen dabei helfen, psychisch gesund zu bleiben, trotz schwerer Belastungen und Krisen.

  • Was ist das Ziel der Resilienzforschung gemäß dem Skript?

    -Das Ziel der Resilienzforschung ist es, Strategien zu identifizieren, mit denen Menschen nicht psychisch krank werden, selbst wenn sie schweren Belastungen ausgesetzt sind.

  • Wie wird in dem Skript der Verlust von Georg Ballmanns Sohn Luca beschrieben?

    -Luca Ballmann kam in einer tragischen Ereignis in einem Club ums Leben, als er und sein Freund Freddy in einen Streit mit einer anderen Gruppe geraten und Freddy vor einen Zug gestoßen wurde, woraufhin Luca mitgezogen wurde.

  • Welche Rolle spielt das FKBP5-Gen in der Stressreaktion des Körpers?

    -Das FKBP5-Gen ist verantwortlich für die Freisetzung eines Enzyms, das an Stressrezeptoren binden kann und die Meldung an das Gehirn blockiert, dass genug Cortisol vorhanden ist, was dazu führen kann, dass der Stress länger andauert.

  • Was ist das Ziel der Studie von Professor Raffael Kalisch in Mainz?

    -Das Ziel von Professor Raffael Kalischs Studie ist es, die Mechanismen psychischer Widerstandskraft zu untersuchen und zu verstehen, welche Faktoren dazu beitragen, dass Menschen unter Stress gesund bleiben können.

  • Wie untersucht Elisabeth Binder den Einfluss von Stress auf das Gehirn?

    -Elisabeth Binder untersucht den Einfluss von Stress auf das Gehirn, indem sie die Auswirkungen von Cortisol auf die Entwicklung von Gehirnzellstrukturen in sogenannten Gehirnorganoiden, die aus Stammzellen herangezogen werden, untersucht.

  • Was ist das Ziel der Stiftung 'Faustlos' gemäß dem Skript?

    -Das Ziel der Stiftung 'Faustlos' ist es, ein Präventionsprogramm gegen Gewalt zu etablieren, das bereits im Kindergarten beginnt, um Kindern und Jugendlichen zu helfen, frühzeitige Strategien gegen Gewalt zu erlernen.

  • Wie wird im Skript die Bedeutung der Selbstwirksamkeit für die Resilienz dargestellt?

    -Die Selbstwirksamkeit wird als wichtiger Mechanismus der Resilienz dargestellt, da das Gefühl der Kontrolle und das Vertrauen darauf, dass man Stresssituationen bewältigen kann, zu einem gesünderen und widerstandsfähigeren Umgang mit Belastungen führt.

  • Was unterscheidet die Reaktion von Menschen auf Stress gemäß den Erkenntnissen von Katharina Domschke?

    -Die Reaktion von Menschen auf Stress unterscheidet sich durch die Aktivität von Genen wie MAOA, die durch epigenetischen Prozesse wie Methylierung beeinflusst werden und die Produktion von Enzymen steuern, die an der Regulation von Glückshormonen beteiligt sind.

  • Wie wird im Skript die Bedeutung von positiven Lebensereignissen für die Resilienz dargestellt?

    -Positive Lebensereignisse werden als Faktoren dargestellt, die die Methylierung von Stressgenen erhöhen können, was wiederum die Aktivität dieser Gene verringert und so zum Schutz vor Stressreaktionen beiträgt.

Outlines

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🌏 Krisen und Resilienz

Der erste Absatz spricht über die anhaltenden Krisenzeiten weltweit und die zunehmende Anzahl der Menschen, die mit stressbedingten Erkrankungen zu kämpfen haben. Es wird auf das Konzept der Resilienz eingegangen, das Gesundheit trotz schwerer Belastungen beinhaltet. Die Wissenschaftler auf der Suche nach dem Geheimnis der Resilienz und wie sie Menschen helfen kann, psychisch gesund zu bleiben, wird hervorgehoben. Die Frage, ob Resilienz gelernt werden kann, wird aufgeworfen, während die Geschichten von Personen, die durch tragische Verluste eine große Herausforderung überwunden haben, erzählt werden.

05:04

🔬 Resilienzforschung und psychische Gesundheit

Dieser Absatz konzentriert sich auf die Arbeit von Neurowissenschaftlern und Hirnforschern wie Professor Raffael Kalisch, der die Mechanismen psychischer Widerstandskraft untersucht. Es wird auf die Bedeutung der frühen Studienzeit und persönlichen Erfahrungen eingegangen, die seine Forschung inspiriert haben. Die Studie, die gesunde Menschen in schwierigen Lebensphasen untersucht, und die Methoden, wie MRT-Scans und die Analyse von Blut- und Haarproben zur Erforschung von Stresseinflüssen auf den Körper und das Gehirn, werden beschrieben.

10:04

🧬 Genetische Faktoren der Resilienz

Der dritte Absatz behandelt die Rolle der Genetik in der Stressreaktion und psychischen Gesundheit. Neurowissenschaftlerin Elisabeth Binder forscht am Max-Planck-Institut für Psychiatrie, um zu verstehen, warum einige Menschen trotz schwerer Krisen psychisch gesund bleiben, während andere unter dem gleichen Stress leiden. Die Auswirkungen von Stress auf das Gehirn und den Körper, die Aktivierung des Hypothalamus und die Freisetzung von Cortisol werden erläutert. Die Rolle des FKBP5-Gens und seine Beeinflussung der Stresshormonregulierung wird betont.

15:08

👶 Die Bedeutung frühkindlicher Erfahrungen

In diesem Absatz wird die Arbeit von Boris Cyrulnik, einem Psychiater und Neurologen, vorgestellt, der als Pionier der Resilienzforschung gilt. Seine eigenen traumatischen Erlebnisse in der Kindheit haben ihn motiviert, die Resilienz zu untersuchen. Die Forschung konzentriert sich auf die Interaktion zwischen Mutter und Kind und wie stressige Erfahrungen während der Schwangerschaft das Baby beeinträchtigen können. Die Idee, dass die frühen Kindheit und die Beziehung zur Mutter einen signifikanten Einfluss auf die psychische Gesundheit haben, wird hervorgehoben.

20:08

🧪 Epigenetik und Stressgene

Der fünfte Absatz spricht über die Arbeit von Katharina Domschke in Freiburg, die die Auswirkungen von Umwelteinflüssen auf unsere Gene untersucht. Sie ist besorgt darüber, wie Stressgene wie MAOA epigenetisch modifiziert werden können, was die Aktivität des Enzyms beeinflusst, das Serotonin und Noradrenalin abbaut. Die Studie zeigt, dass positive und negative Lebensereignisse die Methylierung des MAOA-Gens beeinflussen können, was wiederum die Resilienz gegenüber psychischen Erkrankungen beeinträchtigen kann.

25:11

🎶 Resilienz durch Psychotherapie

In diesem Absatz wird die Wirksamkeit von Psychotherapie auf Zellkern-Ebene untersucht. Domschke untersucht, ob Psychotherapie die Methylierung des MAOA-Gens beeinflussen kann, was darauf hindeutet, dass die Therapie dazu beitragen könnte, die Aktivität von Stressgenen zu regulieren. Die Ergebnisse einer Studie mit Patienten mit Höhenangst, die durch Expositionsübungen behandelt wurden, zeigen, dass eine erfolgreiche Psychotherapie die MAOA-Methylierung in Richtung der eines gesunden Kontrollkollektivs anpassen kann.

30:14

🤝 Gemeinschaftliche Initiativen für Resilienz

Der siebte Absatz erzählt die Geschichte von Familien, die eine Stiftung namens 'Faustlos' gründen, um nach einem tragischen Verlust einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten. Sie entwickeln ein Präventionsprogramm, das in Kindergärten beginnt, um Gewalt frühzeitig zu verhindern. Die Stiftung wird mit dem Bayerischen Innovationspreis für das Ehrenamt ausgezeichnet, was die Bedeutung ihrer Arbeit anerkennt und neue Projekte ermöglicht.

35:17

🧠 Resilienz als Prozess der Selbstoptimierung

In diesem Absatz wird die Resilienz als ein kontinuierlicher Prozess und nicht als ein Zustand beschrieben. Es wird betont, dass Resilienz nicht darum geht, so viel Belastung wie möglich auszuhalten, sondern darum, Wege zu finden, wie man mit Belastungen umgehen kann. Die Bedeutung der Selbstwirksamkeit und die Erkenntnis, dass wir nicht immer Kontrolle über Stressoren haben, aber über unsere Reaktionen auf sie, wird hervorgehoben. Ein Resilienztraining, das von der WHO gefördert wird, wird in einem Gymnasium durchgeführt, um Kindern Strategien zu vermitteln, um psychisch gesunde Reaktionen auf Stress zu entwickeln.

40:18

🏆 Resilienz als Auszeichnung und persönliches Wachstum

Der neunte Absatz schließt das Video mit der Auszeichnung der Familien Ballmann und Wilke für ihre Stiftung 'Faustlos' mit dem Bayerischen Innovationspreis für das Ehrenamt ab. Die Auszeichnung wird als eine Form der Verarbeitung und des Fortlebens nach einem Verlust gesehen. Die Arbeit an der Stiftung hilft den Familien, Sinn aus der Tragödie zu machen und zeigt, wie Resilienz auch eine persönliche Entwicklung und das Finden von Sinn in schwierigen Situationen umfassen kann.

Mindmap

Keywords

💡Resilienz

Resilienz ist die Fähigkeit, sich von schwierigen oder traumatischen Situationen schnell zurückzufinden und zurechtzukommen. Im Video wird Resilienz als Kernthema verfolgt, das Verständnis dafür, wie einige Menschen trotz schwerer Krisen gesund bleiben können, während andere daran zerbrechen. Ein Beispiel ist der Fall von Georg Ballmann, der trotz des tragischen Verlustes seines Sohnes Luca versucht, Resilienz zu entwickeln und einen Sinn aus der Tragödie zu machen, indem er eine Stiftung gründet.

💡Stressbelastungen

Stressbelastungen bezeichnen die psychischen und emotionalen Anforderungen, denen Menschen in ihrem Leben ausgesetzt sind. Im Video werden Stressbelastungen als Auslöser für psychische Erkrankungen diskutiert, und es wird untersucht, wie Resilienzforschung Strategien zur Bewältigung dieser Belastungen identifizieren kann. Ein Beispiel ist die Langzeitstudie von Professor Raffael Kalisch, die gesunde Menschen in schwierigen Lebensphasen untersucht.

💡Cortisol

Cortisol ist ein Hormon, das im Körper Freisetzungs- und Aktivierungsprozesse bei Stress auslöst. Im Video wird Cortisol als Stresshormon beschrieben, das bei Belastungen freigesetzt wird und das Stressregulationssystem beeinflusst. Die Forschung von Elisabeth Binder zeigt, wie Cortisol die Aktivität des FKBP5-Gens reguliert, was wiederum die Stressreaktion beeinflusst.

💡FKBP5-Gen

Das FKBP5-Gen ist ein Gen, das bei Stress aktiviert wird und ein Enzym freisetzt, das an der Regulierung von Cortisol beteiligt ist. Im Video wird gezeigt, dass Varianten dieses Gens eine Rolle bei der Stressregulierung spielen und dass eine Blockade der Aktivität des FKBP5-Gens bei Mäusen zu einer 'resilienteren' Stressreaktion führen kann.

💡Trauma

Trauma beschreibt tiefgreifende psychologische Verletzungen, die normalerweise durch extreme oder lebensbedrohliche Ereignisse verursacht werden. Im Video wird diskutiert, wie Menschen nach einem Trauma eine neue Entwicklung beginnen können, und wie Resilienzforschung dazu beitragen kann, Strategien zu entwickeln, die Menschen dabei unterstützen, gesund zu bleiben.

💡Elisabeth Binder

Elisabeth Binder ist eine Neurowissenschaftlerin, die im Video erwähnt wird, die die Auswirkungen von Stress auf das Gehirn und Hormone untersucht. Ihre Forschung konzentriert sich auf die Rolle von Cortisol und dem FKBP5-Gen bei der Stressregulierung und wie diese Faktoren psychische Gesundheit beeinflussen können.

💡Psychische Gesundheit

Psychische Gesundheit bezieht sich auf den Zustand des emotionalen und mentalen Wohlbefindens einer Person. Im Video wird die psychische Gesundheit in Bezug auf Resilienz und Stressbelastungen diskutiert, und es wird gezeigt, wie verschiedene Faktoren, einschließlich der Genveranlagung und Umwelteinflüsse, die psychische Gesundheit beeinflussen können.

💡Epigenetik

Epigenetik ist das Studium der Änderungen von Genausdrücken, die nicht durch Veränderungen des DNA-Codes selbst verursacht werden, sondern durch Umwelteinflüsse. Im Video wird gezeigt, wie Umweltfaktoren wie Stress die Aktivität von Genen wie MAOA beeinflussen können, was wiederum die psychische Gesundheit betreffen kann.

💡MAOA-Gen

Das MAOA-Gen kodiert das Enzym Monoaminoxidase A, das an der Regulierung von Serotonin und Noradrenalin beteiligt ist. Im Video wird gezeigt, wie die Methylierung des MAOA-Gens durch Umwelteinflüsse die Aktivität des Enzyms beeinflussen kann und wie dies die Entstehung von psychischen Erkrankungen wie Depressionen oder Angsterkrankungen begünstigen kann.

💡Psychotherapie

Psychotherapie ist eine Form der Behandlung psychischer Störungen, die sich auf die Verbesserung des emotionalen Wohlbefindens und des Verhaltens konzentriert. Im Video wird diskutiert, wie Psychotherapie nicht nur die Symptome von psychischen Erkrankungen lindern kann, sondern auch die Aktivität von Stressgenen wie MAOA beeinflussen und somit zur Resilienz beitragen kann.

💡Kontrollverlust

Kontrollverlust beschreibt das Gefühl, keine Kontrolle über die eigenen Umstände oder Ereignisse zu haben. Im Video wird gezeigt, wie der Verlust der Kontrolle zu einem Zustand der 'erlernten Hilflosigkeit' führen kann, was die Resilienz verringert. Durch Experimente wird untersucht, wie die Wahrnehmung von Kontrolle das Verhalten und die Resilienz beeinflusst.

Highlights

Gesunde Menschen trotz schwerer Krisen: Die Resilienzforschung hat das Ziel, Strategien zu identifizieren, die Menschen davor schützen können, psychisch krank zu werden.

Resilienz ist ein natürliches Phänomen, das nach einer Katastrophe oder einem Trauma eine neue Entwicklung ermöglicht.

Elisabeth Binder, Neurowissenschaftlerin, untersucht, warum bestimmte Menschen trotz ähnlicher Belastungen psychisch gesünder bleiben können.

Der FKBP5-Gen-Variante könnten das Stressempfinden verändern und damit das Risiko für psychische Erkrankungen beeinflussen.

Stress kann die Aktivität des Stresshormons Cortisol im Körper verändern, was wiederum die psychische Gesundheit beeinflusst.

Chronischer Stress kann die Entwicklung der Nervenverschaltungen im Gehirn beeinträchtigen und so die Anfälligkeit für psychische Erkrankungen erhöhen.

Die frühkindliche Entwicklung und die Interaktion zwischen Mutter und Kind sind entscheidend für die psychische Widerstandskraft eines Kindes.

Stress im Kindesalter kann langfristige Auswirkungen auf die Stressreaktion haben, was die Resilienz beeinträchtigen kann.

Die Stiftung 'Faustlos' wurde gegründet, um aus einem tragischen Verlust etwas Positives zu machen und Gewaltprävention zu fördern.

Resilienztraining im Werner-Heisenberg-Gymnasium in Bad Dürkheim hilft Schülern, Strategien gegen psychische Belastungen zu erlernen.

Michèle Wessa, Psychologin, betont die Bedeutung der Selbstwirksamkeit und des Glaubens an die eigene Fähigkeit, Stress zu bewältigen.

Epigenetik kann die Wechselwirkungen zwischen Umwelteinflüssen und unseren Genen erklären und ist für die Entwicklung von Resilienz relevant.

Die Methylierung von Stressgenen wie MAOA kann durch Umweltfaktoren beeinflusst werden und hat Auswirkungen auf die Resilienz.

Psychotherapie kann die Methylierung von Stressgenen verändern und somit zur Stärkung der Resilienz beitragen.

Resilienz ist ein kontinuierlicher Prozess und nicht ein Zustand; es erfordert eine ständige Anpassung und Bewältigung von Belastungen.

Die Familien Ballmann und Wilke erhalten den Bayerischen Innovationspreis für ihr Engagement mit der Stiftung 'Faustlos'.

Resilienz bedeutet, mit Belastungen umzugehen, ohne psychisch krank zu werden, und ist ein realistisches Konzept, das auf ganz praktischen Strategien basiert.

Transcripts

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.

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Wir leben in krisenhaften Zeiten.

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Weltweit haben rund eine Milliarde Menschen

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mit stressbedingten Erkrankungen zu kämpfen.

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Tendenz steigend.

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Resilienz heißt, ich bleibe gesund,

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obwohl ich schweren Belastungen durchs Leben ausgesetzt bin.

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(Lockere Musik)

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Was lässt manche Menschen trotz schwerer Krisen gesund bleiben,

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während andere daran zerbrechen?

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(französisch:) Die Resilienz ist ein natürliches Phänomen.

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Und es geht darum, nach einer Katastrophe oder einem Trauma

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eine neue Entwicklung zu beginnen.

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Führende Wissenschaftler

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sind dem Geheimnis der Resilienz auf der Spur.

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Resilienzforschung hat das Ziel, dass wir Strategien identifizieren,

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mit denen wir Menschen helfen können,

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nicht psychisch krank zu werden.

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Können wir Resilienz lernen?

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(Hoffnungsvolle Musik)

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(Geheimnisvolle Musik)

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Es ist ein Teil von mir aus mir herausgerissen worden.

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(Sanfte Gitarrenklänge)

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Das ist der größte Verlust,

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den man als Vater natürlich erleiden kann.

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In einer Januarnacht ist Georg Ballmanns Sohn Luca

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hier gewaltsam ums Leben gekommen.

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"Achtung, Zugbetrieb. Halten Sie Abstand von der Bahnsteigkante."

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(Melancholische Musik)

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Das war Samstag morgens, kurz nach sieben Uhr.

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Da hat mich Helen angerufen, die Mutter von Luca,

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und hat nur einen Satz gesagt: "Luca ist tot."

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(Traurige Musik)

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Nach einer Geburtstagsfeier in einem Club

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geraten Luca und sein Freund Freddy, beide 16 Jahre alt,

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mit einer anderen Gruppe Jugendlicher in einen belanglosen Streit.

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Sie versuchen zu schlichten.

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Doch die Situation eskaliert und endet damit,

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dass Freddy vor den einfahrenden Zug gestoßen wird.

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Luca wird mitgezogen.

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(Wehmütige Musik)

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Eine Tragödie, die Georg Ballmann

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mit Celine und Björn Wilke verbindet,

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den Eltern von Freddy.

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Sie teilen die Trauer um ihre beiden Söhne.

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(Schwermütige Geigenmusik)

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2019 stand frühmorgens die Polizei bei den Wilkes vor der Türe.

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Wir sollen uns erst mal setzen.

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Jan und ich waren da.

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Genau ... das war der schlimmste Satz meines Lebens.

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Nur der Satz.

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Wirklich nur der Satz.

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"Ihr Sohn ist heute Nacht verstorben."

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Nur das.

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Und du sitzt da am Tisch.

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Du willst es erst gar nicht glauben, du sagst aber auch nicht,

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es kann nicht sein, sondern es geht unter dir, die Erde geht auf.

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Du hast das Gefühl, dich saugt alles nach unten,

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alles geht irgendwie runter.

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(Gefühlvolle Musik)

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Es läuft dann alles wie ein schlechter Film ab.

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Und man realisiert einfach den Tag über gar nicht so richtig,

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was passiert ist.

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Man ruft ein paar Leute an.

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Wir hatten das Glück, dass Freunde von uns schnell gekommen sind

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und sich um uns gekümmert haben.

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(Wehmütige Musik)

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Ich habe höchstes Verständnis für Menschen, die das nicht packen.

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Im Leben auch keinen Sinn mehr sehen.

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Das hatte ich nach zwei Jahren.

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Ich dachte, warum darf ich leben und warum nicht mein Sohn?

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(Sanfte Musik)

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Vor den Familien liegt ein unendlich langer, schmerzhafter Weg.

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(Hektische Musik)

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Stress und auch schwere Krisen gehören zu unserem Leben dazu.

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Viele Menschen bleiben dennoch psychisch gesund.

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Woran liegt das?

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(Pochende Musik)

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In Mainz befindet sich das größte Resilienzforschungszentrum in Europa.

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Hier untersucht der Neurowissenschaftler

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und Hirnforscher Professor Raffael Kalisch

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die Mechanismen psychischer Widerstandskraft.

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Mein Interesse an dieser Frage

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"Psychische Gesundheit - was ist das?",

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kommt eigentlich aus meiner ganz frühen Studienzeit,

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als ein Schulkamerad und enger Freund von mir ...

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ja, im ersten Jahr seines Studiums quasi zusammengebrochen ist.

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Ich hatte eine wunderbare Zeit,

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alles war faszinierend, toll und neu für mich.

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In dieser Zeit habe ich zugesehen,

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wie mein Freund daran zerbrochen ist.

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Das hat in mir die Frage ausgelöst,

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wieso passiert es manchen und anderen nicht?

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(Lockere Musik)

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Welche Faktoren sind es, die unsere psychische Gesundheit gefährden?

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(Verspielte Musik)

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Das Interessante ist, dass wir eben sehen,

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dass es nicht nur immer diese ganz großen,

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spektakulären Lebensereignisse sind, die Menschen krank machen können.

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Nicht nur der schwere Unfall, die Gewalttat ...

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der Tod eines geliebten Menschen,

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sondern dass auch vermeintlich kleinere Belastungen,

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wenn sie denn gehäuft auftreten und über längere Zeit auftreten,

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Menschen krank machen können.

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Hallo, guten Morgen, Frau Bauer. - Guten Morgen.

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Was machen diejenigen anders, die nicht krank werden?

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Um das herauszufinden, untersucht Kalisch

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in einer Langzeitstudie gesunde Menschen

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die sich aber in einer besonders schwierigen Lebensphase befinden.

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(Sanfte Musik)

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Da nehmen wir junge Leute, die in dieser Übergangsphase

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vom vertrauten Leben in der Familie, in der Schule,

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hin ins Erwachsenenleben, also ihr vertrautes Umfeld verlassen.

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Wir sehen, dass in dieser Phase des Lebens

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verstärkt stressbedingte Erkrankungen zuerst auftreten

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oder wenn sie vorher bestehen, sich verstärken.

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Alle drei Monate sollen die insgesamt 200 Teilnehmenden der Studie

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Fragen zu ihrer psychischen Verfassung beantworten.

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(Abwartende Musik)

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"Inwiefern haben Sie sich in den letzten zwei Wochen

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innerlich ruhig oder eher angespannt gefühlt?"

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Vor allem, wenn ich abends nach Hause gefahren bin,

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nach der Arbeit, dann noch in der vollen Bahn zu sitzen,

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war doch ein bisschen ... stressig.

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Aber morgens hab ich mir ab und an

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auch einfach mal 'ne Tasse Tee gemacht

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und zehn Minuten rumgesessen.

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Ich hab mich dann doch ganz wohl gefühlt und war auch sehr zufrieden.

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Weil wir das alle drei Monate machen,

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erhalten wir dann wirklich über lange Zeit

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ein sehr gutes Bild von den Belastungen.

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Sodass wir dann über die Zeit sagen können,

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wie stark sie psychisch auf die Herausforderungen reagieren.

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Die einen vielleicht überreagieren,

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die anderen vielleicht eher weniger reagieren.

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Am Ende erlaubt uns das dann ein Bild der Resilienz

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im Sinne eines Gesundbleibens

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trotz Stressvorbelastung einzelner Personen.

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(Treibende Musik)

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In regelmäßigen Abständen kommen die Teilnehmenden

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zu einer gründlichen Untersuchung ins Institut.

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Kalisch und sein Team suchen im MRT nach Hinweisen darauf,

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wie sich psychische Belastungen

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auf die Stressverarbeitung im Gehirn auswirken.

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Und sie untersuchen, wie sich Stress im Körper auswirkt.

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Dafür nehmen sie Blut ab und Haarproben.

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(Unruhige Musik)

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Aus den Haaren können wir tatsächlich

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Konzentrationen des Stresshormons Cortisol bestimmen.

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Ein Zentimeter Haar entspricht einem Haarwuchs von einem Monat.

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Sodass eine Analyse von einem Zentimeter

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oder in dem Fall drei Zentimeter uns was aussagt

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über die Aktivität des Stresshormonsystems

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in den zurückliegenden drei Monaten.

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Alle Ergebnisse werden schon seit Studienbeginn 2016 gesammelt.

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So entsteht eine riesige Datenbank.

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Letztendlich wollen wir verstehen,

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welche Mechanismen Menschen benutzen,

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um unter Widrigkeiten gesund zu bleiben.

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Wenn wir diese Mechanismen besser kennen ...

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sie einzusetzen oder zu verstärken, gerade in Menschen,

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denen es nicht gelingt, diese Mechanismen

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oder diese Bewältigungsmöglichkeiten einzusetzen.

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Die Mainzer Studie soll bald abgeschlossen werden.

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Bestimmte Resilienzfaktoren kann Kalisch schon jetzt benennen.

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Ein entscheidendes Kriterium ist offenbar,

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wie positiv oder negativ die Teilnehmenden

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ihre Stressbelastungen selbst einschätzen.

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Es scheint tatsächlich so zu sein,

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dass es eben einen Zusammenhang

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zwischen diesem positiven Bewertungsstil:

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"Ich glaube, ich komme damit zurecht

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und es wird wahrscheinlich schon gut gehen",

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dass der mit Resilienz im Zusammenhang steht.

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Dass jemand, der einen positiven Bewertungsstil pflegt

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oder ihn im Lauf der Zeit entwickelt, eher geschützt ist.

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(Nachdenkliche Musik)

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Weitermachen, zurückfinden ins Leben.

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Tag für Tag versucht Celine Wilke das nach dem Tod ihres Sohnes Freddy.

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Der Abschied war am Freitagabend,

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wo er sich bei mir verabschiedet hat mit 'nem fröhlichen Lächeln.

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(stockend:) "Mama, ich geh."

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Ich hab ihm viel Spaß gewünscht. Das war der Abschied von uns.

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Ich hab immer noch sein Bild in dem Augenblick.

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Er war gut gelaunt, er freute sich auf den Abend mit seinen Freunden.

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Ich bin im Nachhinein froh, dass der letzte Augenblick,

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wo wir uns gesehen haben, ein angenehmer Augenblick war.

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Wo man sich nett voneinander verabschiedet hat,

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ohne zu wissen, dass man sich da nie wieder sieht.

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(Traurige Musik)

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Am Tag der Beerdigung trauert der ganze Wohnort mit den Familien.

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Luca und Freddy werden gemeinsam in einem Grab beigesetzt.

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(Melancholische Gitarrenmusik)

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Dann ist die ganze Gemeinde,

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das ist ja ein guter Kilometer von der Kirche hierher,

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sind geschlossen in einem Trauermarsch ...

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(Vogelgezwitscher)

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... dann hier zur Beisetzung gekommen.

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(Gefühlvolle Gitarrenmusik)

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Eigentlich war man wie in so einem Trance-Zustand.

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Auch die Beerdigung selber.

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Klar hat man wahrgenommen, dass viele Menschen da sind, aber ...

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das zieht an einem vorbei.

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Irgendwie hat man keine richtige Erinnerung an diesen Moment.

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(Wehmütige Klaviermusik)

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Und die Beerdigung, das war dann so ...

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Diese ganze Schwere, da hat mir die Beerdigung wahnsinnig viel gebracht.

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Dass jetzt dieser Sarg von beiden, dieses Schwere,

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ich weiß nicht, ob man es so beschreiben kann,

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die Last, die eh so schwer ist, dass die Erde so aufgeht,

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dass das wer annimmt für mich,

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dass ich das in andere Hände geben kann.

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Vielleicht ist da doch was Religiöses in mir drin.

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"Bitte, nimm das Schwere für mich."

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Das wird erst mal beerdigt, das Körperliche.

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Aber das andere, das Seelische, das braucht sehr lange,

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bis diese Wunde nicht mehr ganz so offen ist.

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(Gefühlvolle Klaviermusik)

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(Helle Klavierklänge)

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München.

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Hier am Max-Planck-Institut für Psychiatrie

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will die Neurowissenschaftlerin Elisabeth Binder herausfinden:

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Warum bleiben manche Menschen trotz schwerer Krisen psychisch gesund,

play12:50

während andere bei gleicher Belastung krank werden?

play12:53

(Vereinzelte Klaviertöne)

play12:55

Ein Thema, das wir erforscht haben, war eben Veranlagung,

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genetische Veranlagung.

play13:01

Kann es sein, dass gewisse Menschen genetisch veranlagt sind,

play13:04

auf Stress mehr oder weniger zu reagieren

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und dann damit mehr oder weniger Risiko für negative Auswirkungen

play13:12

später zu haben,

play13:13

wie Depression oder post- traumatische Belastungsstörung.

play13:16

(Hektische Musik)

play13:18

Elisabeth Binder will wissen: Könnte es eine Genvariante sein,

play13:22

die unser Stressempfinden verändert?

play13:24

Um das herauszufinden,

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heftet sie sich dem Stresshormon Cortisol an die Fersen.

play13:29

Ein wichtiges Hormon,

play13:30

das über die sogenannte Hormonstressachse freigesetzt wird.

play13:34

(Unruhige Musik)

play13:37

(Pochende Musik)

play13:40

Erleben wir Stress, dann wird das Gehirn aktiviert.

play13:44

Das setzt eine ausgefeilte Kaskade in Gang.

play13:47

Im Gehirn werden Stresssignale an den Hypothalamus gesendet.

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Der wiederum sendet sein "Achtung!"

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über Freisetzungshormone an die Hirnanhangdrüse,

play13:56

auch Hypophyse genannt.

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Und die setzt hormonähnliche Stoffe frei,

play14:01

die an die Nebennierenrinde geschickt werden.

play14:05

Dort wird schließlich das Stresshormon Cortisol produziert.

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Durch das Cortisol werden alle Zellen unseres Körpers

play14:12

mit zusätzlicher Energie geflutet

play14:14

und auf Kampf oder Flucht eingestellt.

play14:17

(Aufgewühlte Musik)

play14:19

Cortisol ist unser Hauptstresshormon.

play14:21

Und dieses Cortisol geht eigentlich an alle Organe im Körper.

play14:27

Und das ist eben sehr wichtig,

play14:29

dass wir gut vorbereitet sind auf einen Stress.

play14:33

(Treibende Musik)

play14:35

Das Cortisol bindet an unsere Stressrezeptoren.

play14:38

Und das ist gut so.

play14:40

Denn die Stressrezeptoren melden dann zurück ans Gehirn:

play14:43

"Danke, hier ist genug Cortisol gebunden."

play14:47

Im Gehirn wird daraufhin die Stressantwort abgeschaltet.

play14:50

Wir beruhigen uns wieder.

play14:52

So sieht eine Stressachse aus, die gut funktioniert.

play14:57

Jeder ist in der Interviewsituation aufgeregt.

play15:00

Aber normalerweise, wenn die Interviewsituation vorbei ist,

play15:03

sollten wir unsere Stresshormon- Levels wieder runterregulieren.

play15:07

Und Menschen mit diesem bestimmten Genotyp können das nicht so gut.

play15:11

Bei denen bleibt das Stresshormon länger weiter oben.

play15:15

(Neugierige Musik)

play15:16

Binder fragt sich, warum ist das so?

play15:19

Warum können sich manche Menschen schlechter beruhigen als andere?

play15:23

Und hier kommt die Genetik ins Spiel.

play15:27

(Hektisch ratternde Musik)

play15:30

Für unsere Stressregulierung ist unter anderem ein Gen verantwortlich.

play15:35

Es trägt den klingenden Namen FKBP5.

play15:39

(Unruhige Musik)

play15:41

Das FKBP5-Gen wird bei Stress aktiviert

play15:44

und sorgt dafür, dass ein wichtiges Enzym freigesetzt wird.

play15:49

Es heißt wie sein dazugehöriges Gen FKBP5-Enzym.

play15:54

Unsere Probleme fangen dann an, wenn zu viel davon freigesetzt wird.

play16:00

Denn dieses Enzym schiebt sich

play16:02

zwischen den Stressrezeptor und das Cortisol.

play16:06

Und blockiert so die Meldung der Stressrezeptoren an das Gehirn,

play16:09

dass genug Cortisol da ist.

play16:12

Das Gehirn, falsch informiert, feuert immer weiter.

play16:16

Wir können uns nicht mehr beruhigen.

play16:18

(Unruhig flatternde Musik)

play16:20

Wir denken, dass mit Stress zu viel von diesem FKBP5 ausgeschüttet wird

play16:25

und diese Menschen nach jedem noch so kleinen Stress

play16:28

einfach zu viel von dem Stresshormon ausschütten.

play16:31

Da wissen wir, zu viel von dem Stresshormon auf Dauer

play16:34

ist eben schlecht für ganz viele Prozesse, auch im Gehirn,

play16:38

die eben auch das Risiko für psychiatrische Erkrankungen erhöhen.

play16:42

Die Forschenden haben das FKBP5-Gen

play16:45

als eine von mehreren wichtigen Ursachen

play16:48

für unsere hormonelle Stressregulation identifiziert.

play16:52

Varianten an diesem Gen könnten mit dafür verantwortlich sein,

play16:55

warum wir mehr oder weniger gestresst reagieren.

play16:59

Jetzt suchen die Forschenden nach einem Weg,

play17:02

um die Aktivität direkt am FKBP5-Gen zu blockieren.

play17:06

(Angespannte Musik)

play17:09

Hier am Institut wurde das an Mäusen untersucht.

play17:12

Mäuse, die diesen FKBP5-Blocker bekommen haben,

play17:16

dass die eben "resilienter" gegen Stress sind

play17:20

und besser mit Stress umgehen können,

play17:23

so gut man das in einer Maus messen kann.

play17:26

Im nächsten Schritt soll nun ein Medikament entwickelt werden,

play17:30

speziell für Menschen,

play17:31

bei denen diese Stress-Gen-Variante im Blut nachgewiesen werden kann.

play17:35

Und die damit vermutlich ein höheres Risiko haben,

play17:38

psychisch zu erkranken.

play17:42

(Unruhige Klänge)

play17:44

(Flotte Gitarrenmusik)

play17:54

Südfrankreich.

play17:57

In Toulon lebt und arbeitet Boris Cyrulnik.

play18:01

Der Psychiater und Neurologe

play18:03

gilt als Pionier der Resilienzforschung.

play18:06

Die traumatischen Erlebnisse seiner eigenen Kindheit

play18:09

haben ihn dazu gemacht.

play18:10

(Meeresrauschen)

play18:12

(französisch:) Ich hatte eine etwas besondere Kindheit,

play18:16

die mich für die Forschung motiviert hat.

play18:18

Ich wollte verstehen, wie man nach dem Krieg

play18:20

wieder ins Leben zurückfinden kann,

play18:22

da ich meine Familie in Auschwitz verloren habe.

play18:25

Fast meine gesamte Familie.

play18:28

(Bedrückende Musik)

play18:30

Als Vierjähriger blieb Boris ohne Mutter und Vater zurück,

play18:33

nur auf sich gestellt.

play18:35

Von Pflegefamilien versteckt, wurde er schließlich verhaftet

play18:39

und entkam nur knapp dem Tod.

play18:41

Die Offiziere sagten: "Wir sollten ihn töten."

play18:45

Ich wusste also, dass man mich töten wollte.

play18:48

Und ich war ganz allein.

play18:50

Und wenn ich Erwachsene sagen hörte, er hat keine Familie,

play18:54

er ist für das Leben verloren, dachte ich als Kind:

play18:57

Das kann doch nicht wahr sein. Ich lehne diesen Fluch ab.

play19:00

(Sanfte Klaviermusik)

play19:02

Bereits mit elf Jahren weiß Cyrulnik,

play19:04

dass er Psychiater werden will.

play19:06

Nach dem Krieg studiert er in Paris Medizin.

play19:10

Auch die Erinnerung an die liebevollen Eltern

play19:13

hilft ihm dabei, seinen Weg zu gehen.

play19:15

(Wehmütige Klaviermusik)

play19:17

Ich habe gekämpft, um zu lernen.

play19:20

Obwohl mir jeder gesagt hat,

play19:22

du brauchst nicht zu studieren,

play19:23

du wirst es eh nicht schaffen.

play19:26

Nun, ich habe es geschafft.

play19:30

Als der ausgebildete Psychiater

play19:32

das erste Mal auf den Begriff Resilienz stößt,

play19:34

hat er sein Lebensthema gefunden.

play19:37

(Sanfte Klaviermusik)

play19:40

Ich habe mir gesagt, das ist ein Wort,

play19:43

das man wissenschaftlich entwickeln muss,

play19:46

um es dann wieder zurück in die Gesellschaft zu tragen.

play19:49

Denn wir müssen begreifen, dass es keine Resilienz gibt,

play19:53

wenn man verletzte Menschen alleine lässt.

play19:57

(Gefühlvolle Musik)

play19:58

Aufgrund seiner eigenen schmerzlichen Erfahrung

play20:00

gilt ein Schwerpunkt von Cyrulniks Forschung

play20:03

dem besonderen Schutz von Kindern.

play20:06

Vor allem interessiert ihn dabei

play20:08

die Interaktion zwischen Mutter und Kind.

play20:10

(Sanfte Klavierklänge)

play20:14

Wir haben 1981 mit der Erforschung der frühen Kindheit

play20:18

auf einer Insel nahe Toulon, begonnen.

play20:21

Dort haben internationale Forscher zusammengearbeitet.

play20:25

Es ging um die Frage: Warum übersteht ein Kind

play20:28

einen schweren Schicksalsschlag gesund,

play20:30

während ein anderes genau daran zerbricht?

play20:36

Einen der Gründe sieht er in den Müttern dieser Kinder.

play20:39

Geht es der Mutter schlecht, dann leidet die Beziehung zum Kind.

play20:44

Ein Teufelskreis, der bereits in der Schwangerschaft beginnen kann.

play20:49

Wir konnten wissenschaftlich nachweisen,

play20:55

dass wenn die Mutter gestresst ist, also die schwangere Frau,

play20:59

die Stresshormone in die Gebärmutter gelangen

play21:02

und das Baby Stresshormone wie das Cortisol schluckt.

play21:06

Und die sind schädlich für das Gehirn des Babys.

play21:10

Das heißt,

play21:11

das Baby kommt mit kognitiven Veränderungen auf die Welt,

play21:15

die nicht durch die Mutter,

play21:17

sondern durch das Unglück der Mutter verursacht werden.

play21:22

(Sanfte Musik)

play21:24

Am Max-Planck-Institut in München untersucht auch Elisabeth Binder

play21:28

diese besonders vulnerable Lebensphase.

play21:33

Der größte Zusammenhang ist ein fast 40-fach erhöhtes Risiko,

play21:37

einen Suizidversuch begangen zu haben,

play21:41

wenn man als Kind schwere traumatische Erlebnisse hatte.

play21:45

Schon in der Schwangerschaft

play21:47

kann zu viel Stress oder Trauma dazu führen,

play21:50

dass die natürliche Barriere des Embryos

play21:52

gegen die Stresshormone der Mutter nicht mehr hält.

play21:55

Warum ist chronischer Stress schädlich fürs Gehirn?

play21:59

Weil chronischer Stress auch dazu führt,

play22:01

dass unsere Nervenverschaltungen einfach weniger werden.

play22:06

Als Ursache dafür hat Binder wieder das Stresshormon Cortisol

play22:10

im Verdacht.

play22:11

Doch um das nachzuweisen,

play22:13

müsste sie das Gehirn eines Embryos unter Stress untersuchen können.

play22:19

Natürlich ist es schwierig,

play22:21

an das entwickelnde Gehirn dranzukommen

play22:23

und gerade auch das entwickelnde Gehirn

play22:25

bestimmten Faktoren auszusetzen und zu untersuchen, wie es reagiert.

play22:30

Weil das keine Option ist,

play22:31

wenden die Forschenden eine neuartige Methode an,

play22:35

um ein sich entwickelndes Gehirn

play22:37

außerhalb der Gebärmutter nachzubilden.

play22:40

Aus Stammzellen wird eine gehirn- ähnliche Zellstruktur herangezüchtet.

play22:46

Diese Simulation nennen die Forschenden "Gehirnorganoid".

play22:53

Insgesamt können wir nur die sehr frühe Gehirnentwicklung modellieren.

play22:58

Wir können auch nicht alle Zelltypen darin modellieren

play23:01

und nicht, wie verschiedene Hirnareale miteinander reden.

play23:04

Ein sehr einfaches und limitiertes Modell,

play23:06

aber das erste Mal, dass wir das machen können.

play23:10

Wie alt sind jetzt diese Organoide?

play23:13

Diese Organoide sind ungefähr 40 Tage.

play23:16

40 Tage, okay.

play23:17

Das heißt, man könnte mit dem Treatment starten?

play23:20

Genau, das wäre ein guter Zeitpunkt.

play23:24

Hat das simulierte embryonale Gehirn, also das Gehirnorganoid,

play23:28

einen bestimmten Reifungsprozess erreicht,

play23:31

geben Binder und ihr Team synthetisch hergestelltes Cortisol dazu.

play23:36

Anschließend werden die Auswirkungen des Hormons

play23:38

auf die Entwicklung der Gehirnzellen untersucht.

play23:41

(Neugierige Musik)

play23:47

Dann sehen wir, dass dieses Stresshormon

play23:49

die Entwicklung verändert,

play23:51

und ganz besonders auch die Genexpression von Genen verändert,

play23:55

die mit dem Risiko für psychiatrische Erkrankungen

play23:59

auch assoziiert worden sind.

play24:01

Kein Zweifel: Schon im Mutterleib beeinflusst der Stress der Mutter,

play24:06

wie stark sich die Stressgene beim Kind bemerkbar machen

play24:09

und seine psychische Gesundheit nachhaltig beeinflussen können.

play24:12

Eine Erkenntnis,

play24:14

die konkrete Auswirkungen auf die Praxis haben müsste.

play24:17

Was eben auch wichtig ist:

play24:19

dass man psychiatrische Symptome in der Schwangerschaft mitscreent.

play24:22

Das wird bei einigen Kliniken schon gemacht,

play24:25

dass Depression mitgescreent wird

play24:27

und man die Mutter rechtzeitig behandelt.

play24:30

Es gibt viele Studien, wo man versucht,

play24:32

über Psychotherapie-Interventionen während der Schwangerschaft

play24:36

da möglicherweise ein Risiko abzufedern.

play24:40

(Entspannte Musik)

play24:45

Umwelteinflüsse haben also direkte Auswirkungen auf unsere Gene.

play24:49

Wie das genau aussieht,

play24:51

das untersucht die Wissenschaftlerin und Psychiaterin

play24:54

Katharina Domschke in Freiburg.

play24:59

Wir gehen davon aus,

play25:01

dass Umwelteinflüsse durchaus eine Erkrankung triggern können.

play25:05

Jetzt ist die Frage: Wie spricht die Umwelt mit unseren Genen?

play25:10

Katharina Domschke ist Leiterin der Psychiatrie

play25:13

an der Uniklinik Freiburg.

play25:15

In ihrem Labor untersucht sie unter anderem epigenetische Prozesse.

play25:19

Wie und warum sich Veränderungen an unseren Genen zeigen.

play25:25

Wir haben eine gewisse genetische Veranlagung.

play25:28

Und dann haben wir ein widriges Umweltereignis.

play25:30

Aber wie teilt sich dieses Umweltereignis unseren Genen mit,

play25:34

die dann angeworfen werden und im Konzert

play25:37

mit den Umweltereignissen zur Erkrankung führen?

play25:40

Da könnte die Epigenetik ins Spiel kommen als Dolmetscher.

play25:44

(Dynamische Musik)

play25:45

Um diese Kommunikation zwischen Umwelt und Genen

play25:48

genauer zu verstehen,

play25:50

sehen sich Domschke und ihr Team ein weiteres Stressgen an:

play25:53

das MAOA-Stressgen.

play25:55

(Neugierige Musik)

play25:59

In der DNA befindet sich das Stressgen MAOA.

play26:03

Es sorgt dafür, dass ein Enzym freigesetzt wird,

play26:06

das MAOA-Enzym.

play26:09

Dieses MAOA-Enzym wandert in unsere Nervenzellen

play26:12

und setzt sich dort an den synaptischen Spalt.

play26:16

Hier werden normalerweise von Membran zu Membran

play26:19

unsere Glückshormone transportiert,

play26:22

Serotonin und Noradrenalin.

play26:26

Setzt sich aber zu viel von dem MAOA-Enzym

play26:28

an den synaptischen Spalt,

play26:30

dann entpuppt es sich dort als wahrer Glücksfresser.

play26:33

Es frisst das Serotonin und das Noradrenalin einfach auf.

play26:39

Deswegen ist ein Hauptverdächtiger in der Entstehung von Depressionen,

play26:44

von Angsterkrankungen, die Monoaminoxidase A, kurz MAOA.

play26:49

Denn die MAOA baut Noradrenalin und Serotonin ab.

play26:53

Bei manchen von uns ist dieses glücksfressende MAOA-Enzym

play26:57

aktiver als bei anderen.

play26:59

Woran liegt das?

play27:01

Im Blut untersucht Domschke das dazugehörige MAOA-Gen genauer

play27:05

und seine sogenannte Methylierung.

play27:10

Die Methylierung ist eine chemische Verbindung,

play27:13

die an spezifischen Stellen unserer Gene sitzt,

play27:15

dem Promotorbereich.

play27:18

Diese Methylierung kann man sich wie eine Art Schlafmützchen

play27:21

auf unseren Genen vorstellen.

play27:24

Sitzt das Mützchen auf dem Gen,

play27:26

spricht man von einer hohen Methylierung.

play27:28

Das Gen schlummert, seine Aktivität wird quasi stillgelegt.

play27:33

Ist das Mützchen aber abgezogen, wird es aktiv.

play27:37

Mehr Glücksfresser werden hergestellt.

play27:42

Das Enzym MAOA ist aktiver, baut mehr Serotonin und Noradrenalin ab.

play27:47

Ich habe weniger davon im synaptischen Spalt,

play27:50

an der Schaltstelle zwischen den Nervenzellen zur Verfügung.

play27:54

Und es kann womöglich leichter

play27:56

zu einer Depression und Angsterkrankung kommen.

play27:59

Dann haben wir den Risikozustand.

play28:03

Wenn die Mützchen auf unseren Stressgenen sitzen,

play28:06

schützen sie uns vor zu vielen Glücksfressern.

play28:09

Das kann uns zufriedener machen, resilienter.

play28:13

Doch nicht immer sitzen diese schützenden Mützchen

play28:16

auf unseren Genen, und nicht bei allen gleich.

play28:19

Was wir gesehen haben, war,

play28:21

dass negative Lebensereignisse eher wohl dazu geführt haben,

play28:25

dass das MAOA-Gen niedriger methyliert war,

play28:27

also weniger Mützchen trug,

play28:29

gegebenenfalls eher einen Risikostatus hatte.

play28:32

Während positive Lebensereignisse eher vergesellschaftet waren

play28:36

mit einer erhöhten Methylierung.

play28:38

Sodass die Schutzkäppchen, die Schutzmützchen,

play28:40

eher auf dem MAOA-Gen saßen,

play28:42

womöglich in Richtung eines Resilienzstatus.

play28:47

Positive Umwelteinflüsse und Erlebnisse

play28:49

können die Aktivität unserer Gene beeinflussen.

play28:52

Nun hat sich Domschke gefragt: Lässt sich das auch

play28:55

bei einer erfolgreichen Psychotherapie nachweisen?

play29:02

Dass Psychotherapie wirkt, wissen wir schon lange.

play29:05

Psychotherapie ist eine der großen Säulen

play29:07

der Behandlung der Angsterkrankungen.

play29:09

Was wir nicht so genau wissen, ist, wie sie im Detail wirkt.

play29:12

Ein möglicher Wirkmechanismus

play29:14

könnte basierend auf unseren Forschungsergebnissen sein,

play29:18

dass Psychotherapie sogar auf Zellkern-Ebene wirkt.

play29:22

(Sanfte Musik)

play29:24

Können wir die schützenden Mützchen

play29:27

mithilfe einer Psychotherapie wieder auf unsere Gene setzen?

play29:30

Domschke untersucht das Blut von Patienten

play29:33

mit einer panikartigen Höhenangst.

play29:36

Danach steigt sie zwei Wochen lang täglich mit ihnen

play29:39

auf den Turm des Freiburger Münsters.

play29:42

Die Patienten haben "Expositionsübungen" durchgeführt,

play29:46

wo sie sich ihrer Höhenangst ausgesetzt haben, exponiert haben.

play29:50

Sie sind auf den Münsterturm gegangen, mussten runterschauen.

play29:53

Nach der Therapie haben wir erneut Blut abgenommen.

play29:56

Wir sahen, dass auch bei diesen Patienten

play29:59

mit erfolgreichem Ansprechen auf eine Psychotherapie

play30:02

die MAOA-Methylierung

play30:03

sich wieder dem Niveau der gesunden Kontrollprobanden angeglichen hat.

play30:07

(Hoffnungsvolle Musik)

play30:10

Das gleiche Resultat erhält Domschke auch bei einer Studie

play30:13

zu einer klassisch durchgeführten Psychotherapie.

play30:16

Noch ist die Probandenzahl zu klein,

play30:19

um eine endgültige Aussage zu treffen.

play30:21

Die ersten Ergebnisse sind schon vielversprechend.

play30:25

Es gibt also Stressgen-Varianten, die wir mit auf die Welt bringen.

play30:29

Und doch haben wir einen großen Einfluss auf unsere Resilienz,

play30:32

wenn es uns gelingt, unsere Umwelt bewusst und gut zu gestalten.

play30:38

(Lockere Musik)

play30:45

(Ruhige Streichermusik)

play30:54

Die erste Zeit ging gar nichts, da konnte ich gar nichts.

play30:58

Es war keine Bereitschaft da.

play31:00

Du bist zu gar nichts mehr ... fähig.

play31:04

Das war am Anfang.

play31:05

Und dann ging es wieder, dass mir Musik wie ein Gebet ...

play31:09

ja, Meditation, Verbindung ... hat mir wahnsinnig geholfen.

play31:22

Viele sind dann vielleicht: Wo ist Gott?

play31:24

Das war weit weg, für mich war Musik meine Religion.

play31:28

Und meine Familie und meine Freunde, das muss ich sagen.

play31:31

Das war unser Auffangnetz in dieser Zeit, ganz stark.

play31:36

(Ruhige Musik)

play32:02

Der Vater von Luca, Georg Ballmann,

play32:05

denkt immer wieder darüber nach, eine Therapie zu beginnen.

play32:08

Dass sein Sohn sterben musste, die Sinnlosigkeit,

play32:12

lässt ihn fast verzweifeln.

play32:14

(Ruhige Gitarrenmusik)

play32:16

Also wenn man den nichtigen Anlass,

play32:18

der zu diesem schrecklichen Ende geführt hat,

play32:21

sich vor Augen führt, dann begreift man das nicht.

play32:24

Also ... das ist so irre.

play32:28

(Ruhige Gitarrenmusik)

play32:30

Dieser Sinnlosigkeit will Georg Ballmann etwas entgegensetzen.

play32:36

Deswegen haben wir sehr schnell die Idee aufgegriffen,

play32:39

eine Stiftung zu gründen,

play32:41

um einfach aus dieser Sinnlosigkeit etwas Sinnhaftes zu machen.

play32:49

Georg Ballmann gründet gemeinsam mit Freddys Eltern

play32:52

die Stiftung "Faustlos".

play32:53

Ein Präventionsprogramm, das schon im Kindergarten beginnt,

play32:57

um Gewalt möglichst früh zu verhindern.

play33:00

Mit seiner Stiftung gelingt es ihm, aktiv zu werden,

play33:04

seinem Sohn ein Andenken zu setzen.

play33:07

(Lässige Musik)

play33:09

Am Mainzer Resilienzzentrum

play33:11

konzentriert die Psychologin Michèle Wessa ihre Forschung

play33:14

auf ganz praktische Hilfen für Menschen in Krisensituationen.

play33:18

Für sie ist resilientes Verhalten etwas,

play33:20

das sich erst ganz allmählich herausbilden kann.

play33:24

Was nicht funktioniert, ist, dass wir Trainings entwickeln,

play33:28

mit denen wir Menschen

play33:29

innerhalb von eineinhalb Stunden oder auch einem Tag,

play33:32

was sich vielleicht manche wünschen würden,

play33:35

widerstandsfähiger machen, leistungsfähiger machen.

play33:38

Das wird nicht funktionieren, das ist nicht unser Anspruch.

play33:41

Für Michèle Wessa ist die "Selbstwirksamkeit"

play33:44

ein wichtiger Mechanismus der Resilienz.

play33:47

Dazu erzählt sie ihre Lieblingsgeschichte vom Elefanten.

play33:51

(Sanft-verspielte Klaviermusik)

play33:55

Bei der Geschichte "Der angekettete Elefant" von Jorge Bucay

play33:58

geht es darum, dass ein kleiner, neugeborener Elefant im Zirkus

play34:03

an so einem kleinen Holzpflock angekettet wird.

play34:08

Der Elefant versucht immer wieder, sich von der Kette loszureißen.

play34:12

Doch vergebens.

play34:15

Er wächst und wird immer größer und immer stärker.

play34:18

Er könnte sich längst befreien.

play34:22

Ihm fehlt quasi der Glaube, dass er das kann, dass er das schafft.

play34:26

Alleine das führt dazu, dass er stehenbleibt

play34:28

und nicht versucht, sich zu befreien.

play34:31

Wenn wir das Gefühl haben, nichts ausrichten zu können,

play34:34

ohnmächtig ausgeliefert zu sein,

play34:36

dann spricht man in der Psychologie von "erlernter Hilflosigkeit".

play34:41

Ein Zustand,

play34:42

den Michèle Wessa in verschiedenen Versuchen genauer untersucht.

play34:46

Mal die Hände nach oben machen.

play34:49

In dem Experiment bekommen die Probanden

play34:52

erst mal ein unangenehmes Geräusch

play34:55

und gleichzeitig auch einen etwas unangenehmen Reiz auf die Haut.

play34:59

Und sie bekommen Kreise, Dreiecke und Quadrate angezeigt,

play35:02

auf die sie jeweils eine unter- schiedliche Taste drücken müssen.

play35:07

(Wiederkehrende zischende Geräusche)

play35:10

Drücken die Teilnehmenden die richtige Taste,

play35:12

können sie damit die unangenehmen Geräusche beenden.

play35:16

Das gilt für die eine Gruppe.

play35:19

Bei einer zweiten Gruppe aber hat das Drücken der richtigen Taste

play35:23

mal zur Folge, dass die Geräusche aufhören, mal aber auch nicht.

play35:28

(Zischendes Pusten, neugierige Musik)

play35:31

Was sie daraus lernen, ist in der einen Gruppe:

play35:35

Ich drücke eine richtige Taste, habe die Situation unter Kontrolle,

play35:38

der Reiz ist beendet.

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Die andere Gruppe lernt:

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Egal, was ich mache, der Zufall bestimmt, was passiert.

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Geschieht das mehrmals hintereinander,

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dann führt das zu einer Erfahrung von Hilflosigkeit.

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Wir können nichts ausrichten.

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Wir kennen das vielleicht aus dem Alltag, im Berufsleben.

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Ich mache eine bestimmte Aufgabe, die mache ich immer gleich.

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An einem Tag ist der Chef zufrieden,

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an einem anderen schmeißt er das hin und sagt: "Das geht so nicht."

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Ich habe das Gefühl, da habe ich keine Kontrolle drüber.

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Das ist ein ganz wichtiger Aspekt,

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wie gestresst ich mich tatsächlich fühle.

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Wie wirkt sich die Erfahrung von Kontrollverlust

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auf das weitere Verhalten aus?

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In einem Folgeversuch können die beiden Gruppen

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das unangenehme Geräusch diesmal nur beenden,

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indem sie auf einem Feld

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so schnell wie möglich die sicheren grünen Quadrate finden.

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Verhalten sich die beiden Gruppen beim Aufsuchen dieser Felder

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unterschiedlich aktiv?

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Das Ergebnis: Menschen, die im vorherigen Versuch

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schon das Gefühl der Kontrolle hatten,

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finden diese sicheren grünen Orte viel schneller

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als die Gruppe mit Kontrollverlust.

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(Andauerndes Zischen, angespannte Musik)

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Diese Erfahrung, dass ich das vorher nie geschafft habe,

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oder zumindest durch das, was ich getan habe, nicht geschafft habe,

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führt zu einer Passivität

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und zu so was wie bei der Geschichte mit dem Elefanten,

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dass ich aufgebe und sage: "Dann füge ich mich meinem Schicksal."

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Damit bewege ich mich immer weiter

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in diesem Kreislauf der Hilflosigkeit und Passivität.

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Wenn wir uns aus diesem Kreislauf befreien können,

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dann spricht Wessa von Selbstwirksamkeit.

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(Ruhige Klaviermusik)

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Doch was ist mit den Situationen im Leben,

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an denen wir nichts ändern können?

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Ich kann vielleicht an der Situation per se nichts ändern,

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die den Stress ausgelöst hat.

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Aber ich kann immer etwas daran ändern,

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wie ich mich gegenüber dem Stress verhalte.

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Das ist ganz wichtig, dass ich selber auch lerne,

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dass ich nicht immer Kontrolle über den Stressor habe,

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aber ein Stück weit über meine Reaktion auf den Stress.

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(Lässige Musik)

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Am Werner-Heisenberg-Gymnasium in Bad Dürkheim

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setzt Wessa ihre Forschungsergebnisse in die Praxis um.

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In einer 7. Klasse

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führt sie ein von der WHO gefördertes Resilienztraining durch.

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Besonders bei Kindern und Jugendlichen

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haben psychische Belastungen in den letzten Jahren

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auch durch Corona deutlich zugenommen.

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Deswegen ist es umso wichtiger,

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dass wir schon frühzeitig ihnen Strategien an die Hand geben,

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mit denen sie selbst auch ein Stück weit verhindern können,

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dass sie psychisch krank werden.

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Mit den Schülern und Schülerinnen trainiert sie,

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wie diese sich aus einer Stressspirale

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von negativen Gedanken und Gefühlen befreien können.

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Zuerst stellt sie die Frage:

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Was passiert, wenn wir davon überzeugt sind, zu versagen?

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Die Gedanken beeinflussen die Taten.

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Wenn man denkt, ich schaff's nicht,

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kann es gut sein, dass man es wirklich nicht schafft.

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Man würde auch sagen, ich schaff's eh nicht,

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also versuch ich's erst gar nicht.

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(Ruhige Musik)

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Wenn negative Gedanken zu schlechten Ergebnissen führen,

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müsste dann nicht auch der umgekehrte Weg möglich sein?

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Genau das ist der Punkt, wo wir für unsere Gesundheit

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und für unsere Resilienz was tun können.

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Indem wir nämlich viel mehr auf Dinge schauen,

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die wir schon geschafft haben.

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Häufig ist es so, dass wir viel mehr Aufmerksamkeit auf Dinge legen,

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wo wir was nicht geschafft haben.

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Wir erinnern uns daran, was schiefgegangen ist.

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Selbst Kleinigkeiten, die uns gut gelungen sind, vergessen wir.

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Dazu macht sie eine einfache Übung.

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Die Schülerinnen und Schüler sollen sich daran erinnern,

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was ihnen am Wochenende besonders gut gelungen ist.

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Auch kleine Dinge.

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Meine Oma hatte am Wochenende Geburtstag.

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Ich hab Kuchen gebacken - eigentlich kann ich nicht gut backen.

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Aber ich hab's geschafft, es hat ihr gut geschmeckt.

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Das hat mich glücklich gemacht. - Super.

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Und deine Oma wahrscheinlich auch? - Ja.

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Am Wochenende habe ich meinem Vater geholfen,

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mein Zimmer aufzuräumen.

play39:58

Das mach ich eigentlich nie.

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Ich schmeiß eigentlich immer alles in Schubladen.

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Aber dieses Mal hab ich das mit Struktur gemacht.

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Das war dann auch viel besser,

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als wenn ich das irgendwo reinschmeiße. - Super.

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Sich eher an die guten Dinge erinnern.

play40:14

Versuchen, Erlebnisse nicht allzu negativ zu bewerten.

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Aktiv bleiben trotz Widrigkeiten.

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Das sind wichtige Faktoren für Resilienz.

play40:24

Wir haben da auch sehr viel gelernt.

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Ich verstehe jetzt auch ein bisschen mehr davon,

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über den Begriff, und halt auch von dem Thema.

play40:34

Wir haben gelernt, wie wir fühlen

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und dass man das im Innenleben, wie man das beeinflussen kann,

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Ängste, wie man dagegen kämpfen kann.

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Und ja, es war eine große Erfahrung.

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(Sanfte Musik)

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Es ist gut, schon früh Rüstzeug für die Seele zu bekommen,

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um auch spätere Krisen besser zu bewältigen,

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die wir alle mehr oder weniger erleben.

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Doch inwiefern bedeutet resilient zu sein

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auch einen gesellschaftlichen Druck zur Selbstoptimierung?

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Immer und jederzeit leistungsbereit.

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Resilienz heißt, dass man für sich Wege findet,

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wie man mit Belastung umgeht.

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Das heißt nicht, dass man versuchen soll,

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möglichst viel Belastung auszuhalten,

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sondern dass man auch für sich erkennt:

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"Wenn ich zehn Termine am Tag habe, geht's mir schlecht."

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"Ich versuche lieber, weniger Termine zu haben."

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Oder: "Ich brauche meinen Ausgleich."

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Das erhöht eben meine insgesamte Resilienz,

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mit den verschiedenen Faktoren in meinem Leben

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besser umgehen zu können.

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(Sanfte Klaviermusik)

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Im Nymphenburger Schloss in München

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bekommen die Familien Ballmann und Wilke

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für ihre Stiftung "Faustlos"

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den Bayerischen Innovationspreis für das Ehrenamt verliehen.

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Eine große Anerkennung.

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Mit 10.000 Euro Preisgeld können sie wieder neue Projekte ausrichten.

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Die Arbeit für die Stiftung bedeutet viel für Celine Wilke.

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Das ist für mich meine Art Verarbeitung.

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In den Tagen, wo es mir und meinem Mann nicht gut geht,

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dass wir eine Beschäftigung haben, ein Projekt.

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Das alte Leben kommt nie mehr zurück.

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Die Narben bleiben für immer.

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Doch die Familien leben weiter, so gut es geht.

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(Gemächliche Musik)

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So ein Verlust relativiert viele Dinge in der Ansicht.

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Man regt sich über Dinge nicht mehr so schnell auf.

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Man genießt den Moment mehr, weil man weiß,

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wie schnell Momente sich ändern können,

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wie Situationen sich ändern können.

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Man geht deutlich bewusster in der Wahrnehmung durchs Leben.

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(Sanfte Popmusik)

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♪ This is my song.

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♪ And no one can take it away.

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♪ It's been so long ...

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Resilienz ist kein Zustand, sondern ein ständiger Prozess.

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Unsere Psyche ist eine komplexe Mischung,

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bestehend aus Umwelteinflüssen, Genen und eigener Handlungsmöglichkeit.

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Bei Resilienz geht es nicht um Glück.

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Es geht darum, zu leben mit allen Schattierungen,

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Krisen zu überstehen, ohne psychisch krank zu werden.

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Das ist das realistische Konzept der Resilienz.

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Alle haben gesagt, bei dem, was dir passiert ist,

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ohne Geld und ohne Familie, brauchst du es nicht mal versuchen.

play43:43

Ich habe es versucht.

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Aber das heißt nicht, dass ich alles im Griff habe.

play43:47

Wie bei allen Menschen ist meine Resilienz nie komplett,

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nie 100 Prozent.

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Und ich denke, das kann man von Ihnen, von mir, von allen sagen.

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(Sanfte Popmusik)

play43:58

♪ And I wonder if you know what it means

play44:04

♪ to laugh as tears go by.

play44:07

(Sanfte Klaviermusik)

play44:15

(Musik verklingt.)

play44:17

SWR 2024

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