Feuerbach · Religionskritik und Projektionstheorie

David Johann Lensing
31 May 202107:00

Summary

TLDRDer deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach, bekannt als 'erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik', präsentiert in seinem Hauptwerk 'Das Wesen des Christentums' seine Kritik der Theologie, die auf der Projektionstheorie basiert. Er argumentiert, dass Menschen ihre Wünsche und Sehnsüchte auf ein göttliches Wesen projizieren, um ihre eigene Unvollkommenheit zu überwinden. Feuerbachs humanistische Kritik zielt darauf ab, die Illusionen der Religion zu entlarven und Menschen dazu zu ermutigen, die Würde und das Potential ihres eigenen Wesens zu entdecken.

Takeaways

  • 😀 Ludwig Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik.
  • 👨‍👧 Ludwig Feuerbach war der Vater der Schriftstellerin Eleonore Feuerbach und Ehemann von Bertha Löw, die sein philosophisches Treiben finanzierte.
  • 📚 Seine Hauptwerk 'Das Wesen des Christentums' entfaltet seine Religionskritik, die er 1841 veröffentlichte.
  • 💡 Feuerbachs Kritik war motiviert von der Illusion der Theologie, die er als letzten Grund für geistige und politische Unfreiheit ansieht.
  • 🔑 Seine Kritik richtet sich nicht gegen die Religion an sich, sondern gegen die Theologie, die Lehre von Gott.
  • 🤔 Feuerbach kritisiert, dass die spekulative Philosophie, insbesondere Hegel, die Grenze zwischen Philosophie und Theologie nicht klar gezogen hat.
  • 📈 Die Kernthese von Feuerbachs Kritik ist die Projektionstheorie, wonach Gott als Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte dient.
  • 🙏 Feuerbach argumentiert, dass die Attribute Gottes, wie Ewigkeit und Vollkommenheit, das Produkt des menschlichen Wunschdenkens sind.
  • 🌟 Er betont, dass Religion die Entzweiung des Menschen mit sich selbst darstellt und dass Gott als ein ihm entgegengesetztes Wesen aufgefasst wird.
  • 💡 Feuerbachs Ziel ist es, den Gottglauben als irreführend zu entlarven und die Menschen dazu zu ermutigen, die Größe und Würde in sich selbst zu entdecken.
  • 👥 Seine Gedankengang ist humanistisch und geht von einer erhabenen, menschlichen Natur aus, was in der heutigen Zeit besonders relevant erscheint.

Q & A

  • Wer war Ludwig Feuerbach?

    -Ludwig Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik.

  • Was motivierte Feuerbach zur Schaffung seiner Religionskritik?

    -Feuerbachs Kritik war als Schlüssel für eine geistige und politische Befreiung gedacht und damit ganz lebenspraktisch motiviert.

  • Welches ist das Hauptwerk von Ludwig Feuerbach?

    -Sein Hauptwerk ist 'Das Wesen des Christentums', das 1841 veröffentlicht wurde.

  • Was ist der letzte Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit nach Feuerbach?

    -Der letzte Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit ist die Illusion der Theologie.

  • Was versäumte die spekulative Philosophie, insbesondere Hegel, laut Feuerbach?

    -Die spekulative Philosophie, insbesondere Hegel, versäumte, die Grenze zwischen Philosophie und Theologie ordentlich zu ziehen.

  • Was ist die Kernthese von Feuerbachs Religionskritik?

    -Die Kernthese ist die sogenannte Projektionstheorie, wonach Gott als eine Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte dient.

  • Wie bezeichnete Feuerbach Gott in seinem Werk?

    -Feuerbach bezeichnete Gott als ein Produkt des menschlichen Wunschdenkens, ein Abbild des Menschen, das er ausser sich setzt und als ein selbständiges Wesen vorstellt.

  • Was ist das Ziel von Feuerbachs Kritik?

    -Das Ziel besteht darin, den Gottglauben als falsch zu entlarven und die Menschen dazu zu ermutigen, die Größe und Würde in ihrem eigenen Wesen zu entdecken.

  • Wie wird Feuerbachs Ansatz in der Kritik beschrieben?

    -Feuerbachs Ansatz wird als humanistisch beschrieben, der von einer erhabenen, menschlichen Natur ausgeht.

  • Was könnten Gender-Studien-Forscherinnen und -Forscher an Feuerbachs Ansichten kritisieren?

    -Sie könnten kritisieren, dass Feuerbachs Ansichten zum Geschlechterunterschied arg überholt sind und nicht streng binär sind, was von gegenwartsphilosophischen Strömungen nicht gesehen wird.

  • Wie lautet die wesentliche Aussage von Feuerbachs humanistischem Ansatz?

    -Die wesentliche Aussage ist 'homo homini deus est', was bedeutet, dass der Mensch für den Menschen ein Gott ist, anstatt 'Der Mensch ist ein Abbild Gottes'.

Outlines

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📚 Einführung in Ludwig Feuerbachs Religionskritik

Dieser Absatz stellt Ludwig Feuerbach als bedeutenden Vertreter der klassischen Religionskritik des 19. Jahrhunderts vor und erwähnt seine familiären Beziehungen sowie die finanzielle Unterstützung seiner Philosophie durch seine Frau Bertha Löw. Der Schwerpunkt liegt auf Feuerbachs Hauptwerk 'Das Wesen des Christentums', das er als Schlüssel für geistige und politische Befreiung ansieht. Er kritisiert die Theologie und nicht die Religion an sich, und meint, dass spekulative Philosophie, insbesondere Hegels, die Grenzen zwischen Philosophie und Theologie nicht klar gezogen hat. Feuerbachs Kritik zielt darauf ab, die Mischung von Philosophie und Theologie aufzulösen, um ein besseres Verständnis der Religion zu erlangen.

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🔍 Feuerbachs Projektionstheorie und ihre Implikationen

In diesem Absatz wird Feuerbachs Projektionstheorie erläutert, wonach Gott als Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte dient. Der Mensch, als endliches und unvollkommenes Wesen, projiziert seine Wünsche nach Überzeitlichkeit und Größe auf ein göttliches Wesen, was zu der Vorstellung eines ewigen, vollkommenen und allmächtigen Gottes führt. Feuerbach argumentiert, dass Religion die Entzweiung des Menschen mit sich selbst ist und dass Gott eigentlich ein Abbild des Menschen ist, das er ausserhalb von sich setzt. Die Kritik zielt darauf ab, den Gottglauben als irreführend zu entlarven und die Menschen dazu zu ermutigen, die Würde und das Potenzial in sich selbst zu entdecken. Der Absatz schließt mit einer Diskussion über die Aktualität von Feuerbachs Ideen und einer kurzen Kritik seiner damaligen Sicht auf Geschlechterrollen.

Mindmap

Keywords

💡Ludwig Feuerbach

Ludwig Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts, der als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik gilt. Sein Hauptwerk 'Das Wesen des Christentums' prägte die Diskussion über die Rolle und Wesensart von Religion und Gott in der Gesellschaft. Im Video wird seine Kritik als Schlüssel für geistige und politische Befreiung dargestellt.

💡Religionskritik

Religionskritik bezieht sich auf die Analyse und Bewertung von Religion und ihren Dogmen. Im Kontext des Videos ist die Religionskritik von Feuerbach von zentraler Bedeutung, da sie die Illusion der Theologie kritisiert und eine Befreiung von diesen Illusionen anstrebt.

💡Theologie

Theologie ist die Wissenschaft von der Gotteslehre und der Lehre von Gott. Im Video wird Theologie als Ziel von Feuerbachs Kritik identifiziert, da sie für die geistige und politische Unfreiheit verantwortlich gemacht wird.

💡Projektionstheorie

Die Projektionstheorie, die im Video erläutert wird, besagt, dass Menschen ihre Wünsche und Sehnsüchte auf ein göttliches Wesen projizieren, um ihre eigene Unvollkommenheit zu überwinden. Diese Theorie ist zentral für Feuerbachs Kritik an der Religion.

💡Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Georg Wilhelm Friedrich Hegel war ein einflussreicher Philosoph, der im Video als Vertreter der spekulativen Philosophie erwähnt wird. Feuerbach kritisiert, dass Hegels Philosophie die Grenze zwischen Philosophie und Theologie nicht klar gezogen hat.

💡Das Wesen des Christentums

Das Hauptwerk von Feuerbach, 'Das Wesen des Christentums', wird im Video als zentrales Werk seiner Religionskritik herangezogen. Es argumentiert, dass die Religion eine Entzweiung des Menschen mit sich selbst darstellt und dass Gott eine Projektion der menschlichen Wünsche ist.

💡Humanismus

Humanismus ist eine Philosophie, die die Würde und den Wert des Menschen betont. Im Video wird Feuerbachs Ansatz als humanistisch bezeichnet, da er die Selbstentdeckung der Menschen in ihrer eigenen Natur fördert.

💡Glaube an sich selbst

Der Glaube an sich selbst ist im Video als Ziel von Feuerbachs Kritik dargestellt, wonach Menschen die Würde und das Potential in sich selbst entdecken sollten, anstatt sich an eine göttliche Figur zu klammern.

💡Homo Deus

Homo Deus ist ein Begriff, der im Video in Verbindung mit Yuval Noah Harari erwähnt wird und die Idee von Menschen, die sich zu göttlichen Wesen entwickeln, beschreibt. Diese Idee steht im Kontrast zu Feuerbachs Kritik, die eine menschliche Selbstentdeckung fördert.

💡Gender studies

Gender studies beziehen sich auf die Untersuchung der Geschlechterrollen und -identitäten. Im Video wird angemerkt, dass Feuerbachs Ansichten über Geschlechterunterschiede in der heutigen Gender-Forschung als veraltet angesehen werden könnten.

💡homo homini deus est

Dieser Satz, der im Lateinischen 'Der Mensch ist für den Menschen ein Gott' bedeutet, wird im Video als zentrale Botschaft von Feuerbachs Philosophie präsentiert, die die Bedeutung der Selbstachtung und des Glaubens an die eigene Natur betont.

Highlights

Ludwig Andreas Feuerbach war ein deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt als erster bedeutender Vertreter der klassischen Religionskritik.

Feuerbachs Kritik richtete sich nicht gegen die Religion an sich, sondern gegen die Theologie – die Lehre von Gott.

Feuerbachs Religionskritik entfaltet sich maßgeblich in seinem Hauptwerk von 1841, 'Das Wesen des Christentums'.

Feuerbach sah die Theologie als den letzten Grund unserer geistigen und politischen Unfreiheit.

Feuerbachs Projektionstheorie besagt, dass Gott eine Projektionsfläche für menschliche Wünsche und Sehnsüchte ist.

Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde, nicht umgekehrt, wie es in der Bibel heißt.

Religion ist laut Feuerbach die Entzweiung des Menschen mit sich selbst.

Feuerbachs Ziel war es, den Gottglauben als falsch zu entlarven und die Größe und Würde im eigenen Wesen zu entdecken.

Feuerbachs Gedankengang basiert auf einem humanistischen Ansatz, der von einer erhabenen menschlichen Natur ausgeht.

Statt 'Der Mensch ist ein Abbild Gottes' sollte es heißen: 'Der Mensch ist dem Menschen ein Gott (homo homini deus est)'.

Feuerbachs Kritik scheint in der Gegenwart relevant, da Menschen mehr denn je an ihrer Selbstüberwindung arbeiten.

Feuerbachs Ansichten zu Geschlechtsunterschieden wirken aus heutiger Sicht veraltet und streng binär.

Feuerbach formulierte: 'Nicht Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde, sondern der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde.'

Die spekulative Philosophie, vor allem Hegel, hat es versäumt, die Grenze zwischen Philosophie und Theologie zu ziehen.

Religion projiziert menschliche Wünsche auf ein göttliches Wesen, um die eigene Unvollkommenheit zu überwinden.

Transcripts

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Heute kurz und bündig, die Beantwortung  der Frage: Was hat es mit Ludwig Feuerbachs  

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Religionskritik auf sich? Ludwig Andreas Feuerbach war ein  

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deutscher Philosoph des 19. Jahrhunderts und gilt  als »erster bedeutender Vertreter der klassischen  

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Religionskritik«. Außerdem war er der  Vater der Schriftstellerin Eleonore Feuerbach,  

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die später seinen schriftlichen Nachlass  ordnete, sowie der Ehemann von Bertha Löw,  

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die sein philosophisches Treiben finanzierte  – und sein anderes Treiben zumindest duldete, wenn auch  

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sicher bitter enttäuscht. Mehr dazu in dem  Vortrag »Ludwig Feuerbach und die Frauen« von  

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Joachim Goetz, der ist unten verlinkt. Nun,  hier soll’s um seine Religionskritik gehen.  

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Seine Religionskritik entfaltet Feuerbach maßgeblich  in seinem Hauptwerk von 1841, mit dem Titel:  

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»Das Wesen des Christentums«. Was hat Feuerbach  zu dieser Schrift motiviert? Zwei Jahre vor  

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ihrer Veröffentlichung stellt und beantwortet er sich in einem Brief an einen Freund folgende Frage:

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Was ist der letzte Grund unserer geistigen  und politischen Unfreiheit? Die Illusion  

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der Theologie. Ich weiß das aus meinem eigenen  früheren Leben, wo dieser Teufel in Engelsgestalt  

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mich in seinen Krallen gehabt hat. [...]  Es ist unglaublich, welche Illusionen die  

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arme Menschheit beherrschen, noch heute  beherrschen, und wie uns die spekulative  

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Philosophie in ihrer letzten Richtung, statt von  diesen Illusionen befreit, nur darin bestärkt hat.

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Dieser Briefabschnitt verrät uns dreierlei.  Erstens, dass Feuerbachs Kritik als Schlüssel  

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für eine geistige und politische Befreiung  gedacht und damit ganz lebenspraktisch motiviert war.

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Zweitens, dass er seine Kritik sich gar  nicht gegen die Religion an sich richtete,  

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sondern gegen die Theologie – das heißt:  die Lehre von Gott (auch wenn Feuerbach im  

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»Wesen des Christentums« immer wieder von  der »Religion« spricht). Und drittens,  

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dass die »spekulative Philosophie« – gemeint  ist maßgeblich der einflussreiche Philosoph  

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel – es  versäumt hat, die Grenze zwischen  

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Philosophie und Theologie ordentlich zu ziehen.

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Damit ist bereits die argumentative Linie des

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»Wesens des Christentums« skizziert; es geht  in der Konsequenz darum, Philosophie und  

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Theologie zu entmischen und dadurch einen neuen  Zugang zum Phänomen der Religion zu gewinnen.

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Zur fachkundigen Auslegung von Ludwig  Feuerbachs »Das Wesen des Christentums«  

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empfehle ich einmal mehr den entsprechenden Band aus der  Reihe Klassiker Auslegen – wohlgemerkt eher an Studierende  

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gerichtet. Hier und jetzt halten  wir uns an Schulbuchwissen, sozusagen. Also,  

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worin besteht Feuerbachs Religions- oder  eben Theologie-Kritik? Im Kern läuft sie  

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auf die sogenannte Projektionstheorie hinaus.

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Eine Projektion ist das, was ein Beamer

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oder – wie der Name schon sagt –  ein guter alter Projektor macht:  

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Er wirft das vergrößerte Abbild eines Bildes  an eine Wand oder Leinwand. Im übertragenen,  

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psychologischen Sinne ist mit einer Projektion  das gedankliche Heraufbeschwören einer  

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Illusion oder Vorstellung (also als Abbild)  von eigenen Gefühlen, Sehnsüchten, Wünschen  

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(als das ursprüngliche Bild) gemeint, auf eine  wie auch immer geartete Projektionsfläche.  

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Und Feuersbachs Theorie besagt nun, dass Gott eine  solche Projektionsfläche ist, quasi die Wand,  

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an die wir unsere Vorstellungen  werfen. Wie ist das zu verstehen?

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Der Mensch erfährt sich selbst als endliches,  begrenztes und unvollkommenes Wesen. Seine  

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Wünsche und Sehnsüchte an etwas Überzeitlichem  und Größerem teilzuhaben, überträgt er auf ein  

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göttliches Wesen. Dadurch versucht der Mensch,  seine eigene Unvollkommenheit zu überwinden.  

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Dass Gott als ewiges, vollkommenes, heiliges,  allmächtiges und allwissendes Wesen erscheint,  

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ist nach Feuerbach also kein Zufall, sondern  ein Produkt des menschlichen Wunschdenkens.

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Feuerbach selbst formulierte es in einer  seiner Vorlesungen mal sehr prägnant wie folgt:

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[N]icht Gott schuf den Menschen nach seinem  Bilde, wie es in der Bibel heisst, sondern der  

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Mensch schuf, wie ich im »Wesen des Christenthums«  zeigte, Gott nach seinem Bilde. [...] Jeder Gott  

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ist ein Wesen der Einbildung, ein Bild, und  zwar ein Bild des Menschen, aber ein Bild,  

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das der Mensch ausser sich setzt und  als ein selbständiges Wesen vorstellt.

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Ein Abbild also, dem all das zukommt,  woran es mir mangelt. »Die Religion«,  

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schreibt Feuerbach, »ist die Entzweiung des  Menschen mit sich selbst.« Der Mensch setze  

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sich Gott »als ein ihm entgegengesetztes Wesen  gegenüber: Gott ist nicht, was der Mensch ist –  

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der Mensch nicht, – was Gott ist.« Als Beispiele  führt er an: Gott sei unendlich, der Mensch ein  

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endliches Wesen; Gott sei vollkommen, der Mensch  unvollkommen; Gott heilig, der Mensch sündhaft;  

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Gott allmächtig und allwissend und der  Mensch, na ja, ist vielleicht mächtig altklug,  

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aber eigentlich macht- und ahnungslos. All die Sehnsüchte nach einem besseren,  

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höheren Wesen (Selbst) – so die Projektionstheorie – die  projizieren gottgläubige Menschen auf ein von  

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ihnen losgelöstes Wesen als Fixpunkt für ihre  scheinbar unerreichbaren Wunschvorstellungen.

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Aber der Mensch vergegenständlicht in der  Religion sein eigenes geheimes Wesen. Es  

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muß also nachgewiesen werden, daß  dieser Gegensatz, dieser Zwiespalt  

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von Gott und Mensch [...] ein Zwiespalt  des Menschen mit seinem eigenen Wesen ist.

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Das Ziel von Feuerbachs Kritik besteht darin,  den Gottglauben als falsch zu entlarven. Er lenke  

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bloß ab und führe in die Irre. Mögen wir Menschen  stattdessen die Größe und Würde im eigenen Wesen,  

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den Wert und das Potential unserer selbst  entdecken – und damit auch den Glauben  

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an und die Liebe zu uns und zueinander. In  diesem Sinne handelt es sich bei Feuerbachs  

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Gedankengang um einen humanistischen Ansatz,  der von einer erhabenen, menschlichen Natur ausgeht.

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Statt »Der Mensch ist ein Abbild  Gottes« sollte es heißen: Der Mensch ist  

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dem Menschen ein Gott (homo homini deus est). Eine solche Religions- oder Theologiekritik  

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scheint wie gemacht für die Gegenwart,  da wir Menschen mehr denn je an unserer  

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Selbstüberwindung arbeiten und gottgleiche Wesen  zu werden scheinen. Homo Deus, wie es Yuval Noah  

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Harari prägnant genannt hat. An anderer Stelle  wirkt Feuerbach nicht ganz so zeitgemäß. Zumindest  

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dürften Forschende und Studierende auf dem Gebiet  der Gender studies Einspruch erheben wollen,  

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wenn er etwa meint: »Der Geschlechtsunterschied  ist kein oberflächlicher [...]; er ist ein  

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wesentlicher; er durchdringt Mark und Bein.  Das Wesen des Mannes ist die Männlichkeit,  

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das des Weibs die Weiblichkeit.« Das sehe ich,  geprägt von gegenwartsphilosophischen Strömungen,  

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nicht ganz so streng binär, und finde Feuerbach diesbezüglich arg überholt – aber das ist ein anderes Thema.  

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Das war’s erstmal zur Religionskritik bei Ludwig Feuerbach.

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Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

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